Old habits die hard

Mein gestriger Blogeintrag hat mir im Nachhinein natürlich zu Denken gegeben. Also habe ich mir heute den Kommentar einer Kollegin vor Augen gehalten und mich gefragt: „Muss ich wirklich so oft raus?“ Ich beschloss: Nein. Und blieb bis 10.40 Uhr zuhause. Um 11 Uhr hatte ich einen Termin zum Reifenwechseln also musste ich da eh weg. Um 10 Uhr wurde mein Sohn quengelig (müde) und ich hielt ihn hin weil ich ohne Kinderwagen war. Ansonsten wäre ich wohl mit dem Kinderwagen raus. Fazit: Irgendwann muss man einfach raus. Zumindest wenn man nicht zu den beneidenswerten Eltern gehören, die ihr müdes Kind zu jeder Zeit einfach ins Bettchen legen können. Und weil ich nicht immer Lust auf Spazieren habe, zumindest nicht zwei mal täglich am selben Ort, nehme ich halt oft das Auto und erledige was, dies verbindend mit Babys Vormittagsschlaf.

Perfektionistin und Rabenmutter

So far so good, wäre da nicht mein erneutes Versagen gewesen. Ich habe erst versucht, (mit und ohne Kind) zu frühstücken (unter zwei Anläufen deshalb) um mich anschliessend wieder mit leidigen Haushaltereien zu beschäftigen (Geschirr in die Spüle räumen, Müesli nachfüllen, unter dem Tisch staubsaugen etc.), nur um festzustellen, dass ich Monate zuvor schon mal beschlossen hatte, solche Sachen in Zukunft gen Abend zu verschieben, in die Schlafenszeit des Kleinen. Und da war ich wieder, Perfektionistin, die ich manchmal sein will, und wuselte um mein Kind herum. Ich bin den ganzen Morgen also vielleicht 15 Minuten zu ihm auf den Boden gesessen und dabei habe ich auch noch versucht, die Zeitung zu lesen. Ich bin eine Rabenmutter! Mir fehlt immer noch die Gelassenheit dafür, im Chaos zu leben. Alles, was nicht an seinem Platz ist, muss bei mir einfach früher oder später herumgerückt werden. Furchtbar! Ob ich das je schaffe? Die Kollegin, bei der sich kürzlich um 14.30 Uhr noch die Teller vom Mittagessen auf dem Tisch stapelten (aha, es gab was mit Curry) und in deren Küche es meist aussieht, als würde dort ein ganzes Heer verpflegt, sollte ich mir zum Vorbild nehmen. Gut… da gibt’s auch ne Putzfrau, die meine Kollegin vom Räumen abhielt und uns Spazieren schickte mit dem Versprechen, das Ganze schon sauber zu machen. Was sie dann auch tat. Was ich nicht verstehe: Genau diese Kollegin hat ein Kind, das so gut wie nie an der Mutter hängt und dass ich praktisch nie quengeln höre. Es ist ein sehr zufriedenes Mädchen, das sich meist seelenruhig dasitzend und in sich gekehrt mit sich und der Umgebung beschäftigt.

Mit dem Kind spielen – ja oder nein?

Unterdessen mache ich mir ernsthaft Gedanken darüber, ob sich mein Sohn vernachlässigt fühlen könnte und ob irgendwann die Strafe dafür ist, dass er mir nicht gehorcht und zu einem dieser „Saugoofen“ wird, bei denen man immer die Eltern verachtet. Und meist die Mutter, die ist ja schuld.
Aber… Dann kam mir auch wieder die Aussage einer anderen Kollegin in den Sinn, deren Mutter in den ersten Monaten nach der Geburt ihres Sohnes meinte: „Was du spielst mit Deinem Kind? Mit uns hat man früher nie gespielt.“ Unsere Eltern also und deren Grosseltern sowieso sind gänzlich anders aufgewachsen als heute. Als sie Babys waren, hat man sie wohl einfach versorgt, ansonsten aber ihrem Schicksal überlassen (z.B. weinen lassen, wenn sie nicht schlafen, unsereins macht das ja nicht mehr) und später, sobald sie alt genug waren um nützlich zu sein, mussten sie wohl täglich Frondienst leisten bis zum Schulbeginn und darüber hinaus. Ja, unsere Vor-Generationen hatten wohl auch gar keine Zeit und keine andere Wahl. Da wurde hart gearbeitet, Tag für Tag. Auf dem Feld und am Herd. Da gab es keine Spül- und Waschmaschinen, keinen Induktionsherd oder Food Processor. Haben unsere Eltern und Grosseltern deswegen einen Knacks erlitten, weil sich keiner gross mit ihnen beschäftigte und sie Wassereimer schleppen mussten? Wohl kaum. Im Gegenteil: Dadurch, dass sie nicht verwöhnt wurden wie wir und gehorchen mussten, sind die meisten fleissig und hilfsbereit und sehen, wo geholfen werden muss.

Mama tat alles für mich

Ich dagegen genoss als Einzelkind mit Mama, die zuhause blieb, eine besonders wohlbehütete Kindheit, deren Folgen sind, dass ich es gewohnt war, dass man vieles einfach so bekommt und dass ich umsorgt werde. Oft bleibe ich noch heute ganz automatisch starr stehen obwohl es irgendwo um mich herum was zu tun gäbe. Doch da meine Mama immer alles für mich tat, merke ich das nicht. Es ist nichts Bösartiges, ich reagiere nicht mit Absicht nicht. Ich bin schlicht so „erzogen“ worden, wie man sagt. Etwas, dass man mir noch oft vorhält. Wohl zurecht. Aber um den Kreis zu schliessen: Ich denke trotzdem, dass mein Sohn mehr Aufmerksamkeit verdient hat. Nicht zuletzt weil meine Lebensumstände nicht mehr die vom Anfang des 19. Jahrhunderts sind. Ich sollte mir die Zeit gefälligst schaffen, mich mit meinem Kind abzugeben. Und zwar bewusst. Und wenn es nur 15 Minuten sind. Ich hoffe, ich kann meinen Vorsatz halten! Denn ich denke, dass gerade durch diese Aufmerksamkeit mein Kind auch irgendwann zu Gehorsam fähig ist. Wie das früher funktioniert hat, als die Kinder wohl viel weniger Liebe zu spüren bekamen (auch dadurch, dass sie so zahlreich waren), weiss ich auch nicht. Aber irgendwie ging’s wohl auch. Meine Eltern und Grosseltern haben nicht mehr als die durchschnittlichen Knäckse… Aber einen Knacks, den haben wir ja nun wirklich alle irgendwie auf die ein oder andere Art, oder?

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