Baby wird über Töpchen abgehalten - windelfrei

"Du kannst sie nicht alle retten"

Dieser Beitrag dreht sich um Einstellungen, Meinungen, Vorurteile… um Ignoranz, Intoleranz, whatever… der Hintergrund: es gibt immer wieder Beiträge in den Medien, v.a. der Regenbogenpresse, die auch „meine Themen“ aufnehmen, also eher Randthemen. So wie das längere Stillen (ich nenne es Normalzeitstillen, oft liest man Langzeitstillen, aber da die WHO 2 Jahre empfiehlt und der weltweite Durchschnitt weit darüber liegt, ist es eine verzerrte Wahrnehmung, alles über 6 Monaten als „lang“ zu bezeichnen, aber es ist halt, hier bei uns, eher unüblich, wobei ich von dem, was ich aus meinem Umfeld kenne, eher sagen würde, dass es überhaupt nicht unüblich ist und viele es halt nicht unbedingt „rausposaunen“), das Co-Sleeping, vielleicht gar im Familienbett, und letztens „windelfrei“.

Alles muss polarisieren

Klar, die Journalisten der Regenbogenpresse sind nicht für tiefgründige Recherchen bekannt und haben immer das Ziel der Provokation vor Augen. Wird ein Artikel gesetzt, muss er polarisieren. Und so wurde letztens von einem deutschen Privatsender, wenn ich mich nicht irre, ein kurzes Video über windelfrei gezeigt mit wenig Inhalt, ausser, dass man sieht, wie die Mama ihr Baby über dem Waschbecken abhält. An den Facebook-Kommentaren, die ich mir normalerweise nie antue (dieses Mal wollte ich es aber wissen :P), merkte man schon, dass keiner sich die Mühe gemacht hätte, sich zu informieren… und so waren unter den Kommentaren zig‘ vorurteilsbehaftete „wie krank!“, „abartig“, „die spinnt“ und dergleichen, zu lesen. Ausserdem zahlreiche Fragen, nicht unbedingt höflich gestellt, die ich beantwortete (man kann es sich vorstellen: es kam von niemandem eine Antwort zurück…). Fragen wie: „und nachts?“ oder „und unterwegs ist dann der Autositz vollgesch…?“, die man ganz simpel beantworten konnte mit: „Windelfrei heisst nicht, dass man NIE Windeln benutzt…“. Auch Annahmen wie „ja, wenn man den ganzen Tag lang nichts Besseres zu tun hat“ fielen, worauf man ganz simpel entgegnen kann: „Babys pieseln ja nicht ununterbrochen!?

Vorschnelle Urteile

Ähm ja, solche Beiträge werden dann natürlich auch in Gruppen geteilt, in denen Mamas sich zum Thema selber austauschen weil sie es praktizieren. Und ich hab‘ dann mal von einer über Facebook bekannten Mama den einen Satz gelesen: „Du kannst sie nicht alle retten“. Den muss ich mir merken. Denn man kann sich bei solchen Menschen den Mund fusselig reden, das Thema dabei ist schnurzpiepegal… sie hören nicht zu, weil sie nicht wollen. Und bemühen drum auch nicht Herr Google. Sie finden es angenehm, sich urschnell ein Urteil zu bilden und wollen auf keinen Fall mehr darüber wissen, denn sonst könnte sich ihre Meinung ja womöglich noch ändern und sie aus ihrer Komfortzone drängen. Wie schlimm das wohl wäre… nein, es ist einfacher, „windelfrei“, wie es früher schon (man erinnere sich daran, dass Wegwerfwindeln eine neue Erfindung aus den 70er-Jahren ist) und heute noch in vielen Teilen der Welt praktiziert wurde bzw. wird… einfach pauschal abzustrafen – dasselbe Thema beim „Langzeit“stillen und Co-Sleeping.

Kleiner Einschub: Sara Kulka, eine deutsche B- oder C-Prominente (bekannt aus GNTM), so genau kenne ich mich da nicht aus, ist so eine, die diese Themen (von Langzeitstillen bis unerzogen) selber lebt, was sehr ungewöhnlich ist für einen Promi, oder sagen wir mal, dass ein Promi den Mut hat, sich damit in die Öffentlichkeit zu stellen. Und sie scheute den Shitstorm nie und macht weiter. Und das finde ich absolut super, denn sie ist ja nicht nur einfach bekannt, sondern jung und sehr hübsch und dank ihrem Promi-Status promotet sie diese Themen, gibt ihnen Präsenz, so dass Menschen davon erfahren, die sich ansonsten nicht annähernd damit auseinander gesetzt hätten. Menschen, die Sara Kulka toll finden und sich nicht einschüchtern lassen von einem für manche vielleicht „abartigen“ Thema… super!

Also ist es einfacher, auf seiner Meinung zu beharren und andere Menschen, die man gar nicht kennt, als „krank“ und „abartig“ zu bezeichnen. Bevor man sich informiert… und weil da immer sehr viele Kommentare in dieser Richtung herunterhageln, frage ich mich, ob diese Menschen, wenn sie mir auf der Strasse begegnen würden, mir das so ins Gesicht sagen und davon laufen würden weil sie die Antwort gar nicht hören wollen. Oder ob sie sich das gar nicht getrauen würden… ich meine, wenn sie wüssten, was ich tue. Vielleicht lebe ich ja (glücklicherweise!) in einer etwas toleranteren Umgebung. Zumindest habe ich bis jetzt nicht solch doofe Kommentare einkassiert. Eigentlich, wenn überhaupt, nur positive. Ich kann auch gar nicht sagen, wie ich reagieren würde, wenn mich jemand als „krank“ bezeichnen würde. Erstens bin ich nicht schlagfertig, so von Mensch zu Mensch, ohne Bildschirm dazwischen. Zweitens wollen solche Menschen eben selten Argumente hören oder stehen bleiben, um zu diskutieren. Schliesslich kann man sich nicht nur hinter einem Facebook-Kommentar bestens verstecken, sondern auch in der anonymen Öffentlichkeit einfach umkehren und davonlaufen… Schade eigentlich. Aber ich muss es mir, auch für solche Momente, sollten sie mal kommen, zu Herzen nehmen, dass ich sie „nicht alle retten kann“.
In diesem Sinne: ich weiss, dass Ihr, liebe Leser, nicht zu der Fraktion gehört, die hier erwähnt wird, und darüber bin ich total froh. Aber dennoch: bei Fragen einfach melden, ja? Bitte! 😉 Ich beantworte sie gerne… 😀

4 comments
  1. Hallo, danke für deinen Artikel – ich verstehe das Gefühl, sich mal Luft machen zu müssen, sehr gut. Was mir aufgefallen ist: du schreibst über das Stillen, dass „die WHO 2 Jahre empfiehlt und der weltweite Durchschnitt weit darüber liegt“. Kannst du dafür eine Quelle nennen? Solche Angaben könnten jemanden, der den Artikel liest und ohnehin schon Vorbehalte gegen Langzeitstillen und Windelfrei usw. hat, noch mehr dagegen einnehmen, wenn sie ohne (gute) Quelle hingeworfen werden („Die informieren sich ja auch nicht, aber werfen es uns vor!“). Und das wäre ja ärgerlich.
    Ich habe mal schnell geschaut, hier findet man Unicef Daten: http://data.unicef.org/topic/nutrition/infant-and-young-child-feeding/ In den meisten Ländern scheinen nur noch weniger als die Hälfte der Kinder mit 24 Monaten noch gestillt zu werden.

    1. Hallo Antje! Danke für Deinen Kommentar und Deine Sichtweise! Ich beziehe mich auf den, ja, leider schon etwas älteren (1995) Artikel von Katherine Dettwyler: http://www.uebersstillen.org/kdsvezzd.htm – da ich schon so oft über das Thema schrieb, hier, und auch auf Nestwärme (wo ich den Artikel von Dettwyler natürlich in der Linkliste habe), dachte ich nicht dran, eine Quelle zu nennen… drum, gut, dass Du fragst… aber wie Du auch erkennst, solche Zahlen ändern sich und Du hast aktuellere Daten, die den Artikel von 1995 natürlich jetzt widerlegen. Ich werde das im Beitrag entsprechend mal anpassen… Mir fehlt leider aktuell die Zeit dazu, die Themen wirklich intensiv zu recherchieren und zu belegen, dafür müsste man z.B. „Geborgen wachsen“ oder „Nestling“ hernehmen, diese Bloggerinnen/Autorinnen sind diesbezüglich auf Zack, die Blogs also auch eher sachlich und zumindest Susanne Mierau hat als Autorin natürlich einen ganz anderen Hintergrund, während ich mir erlaube, den Blog eher als Tagebuch und „Von der Seele schreiben“ zu nutzen, deshalb auch selten eine Quelle, aber auf Anfrage hin, wie Deine jetzt, mache ich das natürlich gerne. So, jetzt habe ich etwas zu weit ausgeholt 😀 Keine Ahnung, ob meine Antwort irgendeinen Sinn macht 😀

  2. Die Themen, die du ansprichst, haben wir auch mehrfach als „kritisch“ empfunden. Nicht, weil wir sie selbst nicht verstehen – wir lieben unser Familienbett, versuchen es mit windelfrei und stillen nach dem 6. Monat ist normal. Wir haben aber gemerkt, dass die Meinungen extrem auseinander gehen und auch im Bekanntenkreis ist es oftmals besser, nichts dazu zu sagen und einfach zu machen, wie man es selbst für richtig hält 😀

    Dran bleiben, nicht beirren lassen und auf das eigene Gefühl vertrauen 🙂

    1. Danke Dir, Du hast vollkommen recht… 🙂

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