Jetzt leg doch mal das Handy weg Buchcover

Jetzt pack doch mal das Handy weg!

Unter dem Titel „Jetzt pack doch mal das Handy weg!“ erschien letzte Woche ein neuer Ratgeber zum Erziehungsthema Smartphone – ein Thema, das bei allen Familien früher oder später auf den Tisch kommt und für Ärger sorgen könnte. Ich durfte den Autor, Thomas Feibel, selbst Vater von vier Kindern und führender Experte in Sachen Kinder und Digitales, vor Erscheinen seines Werkes befragen.

"Jetzt leg doch mal das Handy weg!" - Autor Thomas Feibel
Thomas Feibel, Foto zVg

Herr Feibel, Hand auf’s Herz – wie sieht Ihr digitaler Medienkonsum aus?
Thomas Feibel: Wie bei vielen Menschen, die digitale Medien beruflich nutzen, verwischt auch bei mir immer mehr die Grenze zwischen Freizeit und Job. Am Anfang war das natürlich eine praktische Verheissung, aber irgendwann spürte ich, dass sich damit die Rädchen der Selbstausbeutung noch schneller drehen. Aus diesem Grund habe ich seit zwei Jahren keine Mails mehr auf meinem Smartphone. Seitdem habe ich mehr Zeit. Für Whatsapp. Ich weiss, das klingt wie ein Scherz, ist aber keiner.

Bewusster, selbst-regulativer Umgang

Whatsapp nutze ich privat mit meinen Kindern und Freunden. Das ist alles ganz entspannt. Sobald aber eine Mail kommt, steckt da eine Anforderung an mich, ich muss handeln. Dann geht so ein Ruck durch meinen Körper. Seitdem ich keine Mails mehr habe, schaue ich nicht alle drei Minuten danach. Habe ich aber deswegen den perfekten Umgang gefunden? Ich fürchte nicht, aber ich suche weiter nach probaten Mitteln.

Auf Ihrem Buchcover steht „wie wir unsere Kinder von der digitalen Sucht befreien“. Sollten wir uns nicht zuerst die Erwachsenen vornehmen, die ständig am Smartphone hängen?
Es gibt unglaublich viele Eltern, die vom Smartphone-Verhalten ihrer Kinder genervt sind. Es gibt aber auch unglaublich viele Kinder, die vom Smartphone-Verhalten ihrer Eltern genervt sind. Das Buch funktioniert also in zwei Richtungen. Es zeigt, wie wir Kindern einen bewussten und selbst-regulativen Umgang beibringen, aber es zeigt auch, was wir selbst tun müssen. Auf unser Vorbild-Verhalten achten, Haltung zeigen und auch die Vorzüge und Schattenseiten der digitalen Medien bestens kennen.

Ambivalenter Umgang mit dem Smartphone

Die neuen Lehrpläne an den Schulen legen mehr Gewicht auf digitale Medien, viele Aufgaben werden bereits am Computer gemacht und mancherorts werden gar ganze Schulklassen mit iPads ausgestattet – wenn die Eltern es vorleben und die Schule noch einen draufpackt, wie können Kinder da etwas anderes lernen, als dass das Digitale ein wichtiger Teil unseres Lebens ist?
Der Umgang mit digitalen Medien ist eine Kulturtechnik, die erlernt werden muss. Daran gibt es keinen Zweifel. Allerdings gelangt oft Technik in die Schule ohne jegliches Konzept. Das ist sehr schade.

Schulen müssen digitale Medien mit Konzepten und Geboten stärker einbinden.

Thomas Feibel, Buchautor

Dazu gehen in Deutschland viele Schulen sehr ambivalent mit dem Smartphone um. Die meisten verbieten es, was das Problem nicht löst. Und viele Eltern überlassen ihre Kindern bereits in der Grundschule ihr altes Smartphone, ohne sich Gedanken zu machen, was dieses On-sein für beispielsweise einen Achtjährigen bedeutet. Kinder sollten erstmal eine Smartphoneführerschein machen, Eltern sollten mit ihren Kindern Vereinbarungen treffen und jährlich auf den Prüfstand stellen. Und Schulen müssen digitale Medien mit Konzepten und Geboten stärker einbinden.

Den Schulen geht es ja vor allem um die Vermittlung von Kompetenz, um Missbrauch vorzubeugen – gelingt das? Sprich: sind sie mittlerweile kompetent genug und brauchen unseren Schutz gar nicht oder ist es nach wie vor wichtig, dass wir als Eltern versuchen, zu überwachen, was die Kinder im Netz etc. tun?
Ich möchte meine Kinder nicht überwachen, sondern ihnen vertrauen. Zuvor muss ich sie aber mit Regeln, Gefahren und anderen Dingen vertraut machen. Ein Beispiel: Oft sollen Schulklassen eine WhatsApp-Gruppe gründen. Und dann passiert, was passieren muss: es geht schief! Mobbing, 500 Nachrichten über Nacht. Warum ist das so?

Weil es keine Vereinbarungen gab. Wir dürfen die Kinder nicht mit der digitalen Welt alleine lassen, weil sie es nicht können und weil sie eben Kinder sind. Natürlich ist es gut, wenn die Schule solche Themen aufbereitet, aber da bleibt selten etwas haften. Darum schreibe ich auch Jugendbücher zu diesen Themen. Die hohe Identifikation ist ein guter Kleber und sensibilisiert.

Gemeinsam Regeln entwickeln

Das Handy als Streitthema Nr. 1 in der Familie – welche Regeln beenden diesen Streit Ihrer Meinung nach ein für alle mal? 
In meinem Buch stehen sehr viele Regeln – für Kinder und Eltern. Wichtig ist, dass es überhaupt Vereinbarungen gibt, an die sich alle halten. Also beim nachhause kommen das Handy in ein Körbchen legen, erst die Dinge erledigen, die es zu erledigen gibt, dann kann es wieder geholt werden. Kein Handy beim Essen, kein Handy bei den Hausaufgaben, kein Handy über Nacht im Kinderzimmer. Und für Eltern: Sie sollen nicht abends das Handy ihrer Kinder kontrollieren und das Gerät nicht als Druckmittel einsetzen. Die besten Regeln können wir mit unseren Kindern gemeinsam auf Augenhöhe entwickeln.

Ab wann sollen Kinder sinnvollerweise ein eigenes Gerät erhalten? Wenn alle anderen in der Schule eines besitzen oder wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht haben?
Es geht nicht darum, welches Alter ich für richtig halte, sondern wie die Realität aussieht. Weil Kinder dauerhaft damit on sind und Zugang zum Internet mit all seinen Möglichkeiten und negativen Seiten haben, wäre natürlich 10 oder 12 Jahre ein gutes Alter. Aber wie gesagt: Viele Eltern überlassen bereits ihren siebenjährigen Kindern das alte Gerät.

Die Verführung ist gross…

Gerade die sozialen Medien sind so aufgebaut, dass man sich nur schlecht von ihnen lösen kann. Die ganzen Newsfeeds haben kein Ende, es gibt immer wieder etwas Spannendes zu lesen/zu erfahren, man könnte etwas verpassen – ist hier ein wohl dosierter Konsum überhaupt möglich? 
Da hilft nur ein bewusster Umgang. Beim Fernsehen haben wir es doch auch geschafft. Den ganzen Tag läuft was in der Kiste, aber wir haben gelernt zu widerstehen. Das müssen wir hier noch lernen. Allerdings ist die Verführung gross. Auch weil sich soziale Medien im Gegensatz zum Fernseher über das Smartphone ständig melden. Darum ist es klug, die Mitteilungen auf dem Startscreen zu deaktivieren.

Das habe ich bei mir so eingestellt… Ist das Handy tatsächlich eine „Gefahr“, hindert sie unsere Kinder wirklich daran, sich zu bewegen, sich im realen Leben auszutauschen oder löst es einfach den Fernseher, Videospiele oder den Nintendo ab?
Ich halte das Smartphone für keine Gefahr in dem Sinne. Aber im Gegensatz zu Fernsehen und Internet-PC entziehen sich die Kinder durch Mobilität jeglicher Kontrolle. Es ist unsere Aufgabe als Eltern, für eine Ausgewogenheit zu sorgen. Digitale Medien nutzen ja, aber auch Aktivitäten mit Kindern, bei denen diese Medien nicht zum Einsatz kommen. Im Grunde geht es doch darum, dass wir wieder mehr Zeit miteinander verbringen. Dieses Lebensqualität kann durch zu viel Umgang mit Smartphones zwischen den Fingern verrinnen.

Eine gewaltige Erziehungsaufgabe

Was können Eltern von Ihrem Buch erwarten?
Mein Buch schafft nochmal ein Bewusstsein, was wir mit dem Smartphone für eine gewaltige Erziehungsaufgabe auf uns nehmen. Es geht nicht nur darum, das Handy wegzulegen, sondern auch darum, in welcher Welt wir leben wollen. Kinder, die das Internet nutzen, stossen auf eine Welt voller Lügen, Hass, Bots und Fake-News. Der Umgang damit muss gelernt werden und wir Eltern müssen ihnen dabei helfen. Mein Buch zeigt, wie das gelingen kann.

Vielen Dank, Herr Feibel, für das spannende Interview!
„Jetzt pack doch mal das Handy weg!“ ist erschienen im Verlag Ullstein und u.a. hier erhältlich:

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