Pflege und Betreuung – ein Lebensthema

Vor zwei Wochen fuhr ich zu einem Interview. Und wie so oft, wenn ich für die Serie „Persönlichkeiten“ meines Auftraggebers, die regelmässig in dessen Zeitung erscheint, Gespräche führe, bringt mich das zum Nachdenken.
Wir sprachen über vieles in den rund zwei Stunden, u.a. auch über die Pflege. Menschen, die verunfallen, schwer krank sind oder auch einfach sehr alt, benötigen Pflege. Und diese möchten sie natürlich so lange wie möglich im eigenen Zuhause erhalten. Mir fiel in diesem Gespräch unweigerlich ein, dass wir genauso gut von kleinen Kindern sprechen könnten. Je jünger das Kind, desto intensiver der Pflegeaufwand. Und die Parallelen zur höchsten Pflegestufe eines Erwachsenen, der sich nicht mehr selber ernähren oder fortbewegen kann, der also einen Grossteil seiner körperlichen und oft auch kognitiven Fähigkeiten eingebüsst hat, sind eindeutig. Das Leben endet in diesem Fall so, wie es begann.

Frauen leisten Betreuungsarbeit

Die Diskussion ist oft in beiden Fällen ähnlich. Natürlich, beim gesunden Baby reden wir von einem Zeitrahmen von etwa einem Jahr, die Entwicklung ist hier ja progressiv, nicht regressiv. Beim zu pflegenden Erwachsenen kann der Zeitrahmen deutlich höher ausfallen. Aber Fakt ist: der Mensch braucht Betreuung und die Familie muss sich die Frage stellen, inwieweit sie bereit ist, diese Betreuung selber zu leisten. Und ob sie es sich auch sprichwörtlich leisten kann. Angenommen, die Angehörigen haben zuvor Vollzeit gearbeitet und stehen plötzlich vor einem Pflegefall, der eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung benötigt. Wer soll diese leisten? Die Spitex? Ein Pflegeheim? Oder teilt man die Betreuung in der Familie auf? Oft, wie auch bei den Kindern, sind es die Frauen, welche einen Grossteil dieser Betreuungsarbeit leisten.
Und wenn ich so darüber nachdenke, wird mir klar, dass Betreuung ein grosses Thema ist im Leben von uns Menschen. Als Kind brauchen wir sie eine ganze Weile. Ab, sagen wir, 16, 18 Jahren, beginnen wir unabhängig zu werden, verlassen irgendwann das Elternhaus und übernehmen mit der Volljährigkeit die alleinige Verantwortung für uns selber. Bekommen wir aber wiederum Kinder, dann sind das vielleicht 10-20 Jahre maximal, in denen wir uns tatsächlich ausschliesslich um uns selber kümmern. Danach übernehmen wir bereits die Verantwortung für jemand anderen, unsere Kinder, jahrelang. Und möglicherweise geht diese nahtlos über in die Betreuung von Angehörigen. Vielleicht wird ein Elternteil krank oder ein Geschwister, der Partner verunfallt schwer. Das kann auch weit früher der Fall sein.
Hände halten sich an den Handgelenken und bilden einen Kreis

Der Mensch sourct Pflege und Betreuung aus

Fazit: wir sind fast nie auf uns allein gestellt, „frei“, es sei denn wir bekommen keine Kinder oder haben das Glück, dass alle Angehörigen bis ins Alter fit und gesund bleiben (oder sterben bevor es anders kommt). Der Mensch und die Betreuung anderer, das gehört also eng zusammen, vom Anfang bis zum Ende und das macht ihn auch aus (Säugetiere oder Vögel pflegen wohl ihre Brut bzw. Jungtiere, verletzte, kranke oder alte vermutlich nicht – falls hier ein Biologe mitliest und Bescheid weiss, darf er sich gerne melden ;). Und irgendwann (im Industriezeitalter) begann der Mensch damit, das Ganze outzusourcen – mit Altersheimen und Kitas – damit er arbeiten konnte. In der Schweiz leben 90% der über 65-Jährigen zuhause (Quelle: GDI). Ab 85 Jahren sind es 57%. Inwieweit diese (teilweise) Betreuung/Pflege benötigen, weiss ich leider nicht. Dagegen werden über 70% der Kinder zwischen 0-3 Jahren familienergänzend betreut (Quelle: bfs). Ein Teil davon sicherlich auch daheim von näheren Angehörigen.
Es mag etwas wirr klingen, was ich hier schreibe, vielleicht weiss ich selber nicht genau, wohin die Gedanken noch fliessen… ich denke, beides gehört ein wenig zusammen. Der Kreis schliesst sich hier auch. Wer wird wohl später eher bereit sein, seine Eltern ein Stück weit selber zu betreuen, wenn sie im Alter oder bei Krankheit Hilfe benötigen? Derjenige, der selber mehrheitlich zuhause sein durfte oder derjenige, der bereits früh Vollzeit in eine Kita musste? Bindung ist hier das wichtige Wort, und diese etabliert sich in den ersten Lebensjahren.
An dieser Stelle will ich nochmals betonen, dass ich nichts gegen partielle Fremdbetreuung habe und sie für meine Kinder selber auch in Anspruch genommen habe, es geht mir nur um das Mass: Wenn Eltern bereits 16 Wochen nach der Geburt beiderseits für je 100% wieder in den Beruf einsteigen, dann ist das für mich einfach nicht stimmig…

Betreuung ist wertvoll

Meine Botschaft an dieser Stelle aber ist eine andere: die Betreuung unserer Kinder darf nicht weniger wert sein als die Betreuung der Älteren, Kranken etc. Ich weiss auch nicht, ob sie das ist, weil mir leider die Zeit fehlt, zu recherchieren, wie hoch das eine oder andere subventioniert ist, es spielen vermutlich auch viel zu viele Faktoren mit, um das überhaupt korrekt zu vergleichen. Fakt ist, dass es z.B. in Liechtenstein (und natürlich auch in anderen Ländern) ein Pflegegeld gibt, das als Maximum von CHF 180.-/Tag ausbezahlt wird bei der höchsten Pflegestufe. Dieses Geld dient, wenn ich richtig verstanden habe, als Entlastung für pflegende Angehörige damit sie Fachpersonal wie z.B. Spitex hinzuziehen können, um nicht rund um die Uhr verantwortlich sein zu müssen. Das ist völlig legitim. Vermutlich erhält man diesen Beitrag zusätzlich zur Rente und allenfalls weiteren Sozialleistungen. Dahingegen erhält, wer sein Baby/Kind in den ersten Lebensjahren zuhause betreut, hierzulande (anders ist es meines Wissens in Deutschland oder Österreich) kein Betreuungsgeld! Wird das Kind jedoch ausser Haus betreut, profitiert man von den staatlichen Subventionen des Kita-Platzes. Schliesslich soll sich das Arbeiten ja finanziell lohnen… Die Wirtschaft gewichtet Arbeit leider höher als die Betreuung der zukünftigen Generationen.
Übrigens: sieht man sich rein die Kosten für einen Betreuungsplatz an, so zahlt ein Säugling (bis 18 Monate) für einen Ganztagsplatz in unserer Kita (6.45-18 Uhr) bis zu CHF 100.- (höchste Tarifstufe) und in Liechtenstein im Betagtenheim (LAK) bezahlt ein Bewohner für den ganzen Tag (24h) im Einzelzimmer CHF 111.- (exklusive Konsumation, Radio, TV, Telefon etc.). Die Pflegetaxen werden von Krankenkassen u/o Land und Gemeinden bezahlt, wenn ich das richtig verstanden habe.

Betreuung aus finanzieller Sicht / ein Fazit?

Ich lehne mich jetzt vermutlich sehr weit aus dem Fenster, wenn ich aufgrund dieser weniger Daten, die ich auf die Schnelle erörtern konnte und mit dem mir so angeeigneten Halbwissen, behaupte, dass es sich rein finanziell mehr lohnt, einen pflegebedürftigen Erwachsenen zuhause zu betreuen als ein Baby – vorausgesetzt er lebt im selben Haus(halt), was bei der höchsten Pflegestufe mehr als logisch wäre.
Ja, ich schätze, das wollte ich erörtern… was sagt Ihr dazu?
Das Thema geht natürlich noch viel weiter… ich habe mir bereits vor einiger Zeit auch Gedanken darüber gemacht, wie wichtig es wäre, statt alles outzusourcen, mehr gemeinsam zu schaffen und Ressourcen zu binden… damit auch in Zukunft für alle gut gesorgt ist.

Pflege und Betreuung Lebensthema des Menschen

 

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