„Er hatte nur Angst, dass er nicht mehr Fussball spielen kann“

Die Diagnose Krebs ist immer ein Schock. Besonders, wenn es um das eigene Kind geht. Während ihr Sohn alles recht locker hin nahm, brauchten Niko’s Eltern etwas mehr Zeit, um diese Episode in ihrem Leben zu verdauen. Erst nachdem sie auf weiteren Kontrollen beharrten, nachdem man sie zwei Mal nach Hause geschickt hatte, konnte der Hirntumor diagnostiziert und ihr Sohn operiert werden. 

Kinderkrebs – ein Interview…

Ich habe Banu vor etwa 8 Jahren im Mütterzentrum kennen gelernt. Unsere grossen Söhne sind etwa gleich alt. Die Türkisch-Liechtensteinische Familie ist viel unterwegs. Es bleibt leider kaum Zeit, sich zu treffen. Aber ich lese gerne auf Social Media mit, was gerade so läuft bei ihnen.

Die automatische Übersetzung ist ziemlich mies, aber ich erkannte irgendwann, das etwas nicht stimmt… lange habe ich mich nicht getraut zu fragen. Erst als ich sah, dass „alles gut“ war, erfuhr ich, dass ihr älterer Sohn einen Hirntumor hatte. „Eine lange Geschichte„, erklärte Banu, seine Mama. Ich wollte sie erfahren.

Er war ziemlich traurig, als wir beschlossen, ins Spital zu fahren. Er verpasste seinen Fussballmatch.

Banu, wann habt Ihr gemerkt, dass etwas nicht stimmt mit Niko?
Banu
: Eine Woche vor der Diagnose beschwerte er sich zweimal über Bauchschmerzen. Am Tag davor musste er sich übergeben und sein Lehrer schickte ihn nach Hause. Auch war sein Hals währenddessen irgendwie steif und schief. Wenn wir ihm sagten, er solle gerade stehen, tat er das, aber nach ein paar Minuten lag sein Kopf wieder schief.

Ihr wart dann beim Kinderarzt?
Ja, aber der schickte uns nur zu Physiotherapie und Massage. Das war am Freitag. Am Tag darauf schien es ihm gut zu gehen, aber als wir mittags Fussball spielten, sagte er, dass ihm schwindlig sei und seine Augen wirkten ganz seltsam. Sein Zustand war eigentlich gut und er hatte am Nachmittag einen Fussballmatch, weswegen er ziemlich weinte, als wir beschlossen, mit ihm ins Spital zu fahren…

Aber es war die richtige Entscheidung…
Naja, sie schickten uns zweimal wieder nach Hause weil sie nichts fanden. Mein Mann und ich bestanden aber auf weiteren Kontrollen. Endlich wurde ein MRT gemacht und dort sahen wir dann den Hirntumor.

Wir mussen direkt mit dem Helikopter ins Kinderspital. Alles ging so schnell.

Niko bei einem Fussballturnier vor der Krebsdiagnose.

Wie habt Ihr Euch gefühlt?
Es war ein Schock. Wir mussten auch direkt mit dem Helikopter ins Kinderspital nach Zürich fliegen und mussten ihm alles erklären. Wir hatten Angst. Alles ging so schnell, unsere Familie war sehr verwirrt.

Welche Diagnose erhielt Niko genau und wie standen seine Chancen?
Er hatte ein Ependymom* und die Operation war sehr erfolgreich. Danach standen insgesamt 33 Bestrahlungen an, aber seine Chancen stehen sehr gut. In den nächsten 5 Jahren wird er alle 3 Monate zum MRT müssen. Danach wird hoffentlich alles gut sein und er wird nur noch jährlich zur Kontrolle müssen.

*Ein Ependymom ist ein Tumor des zentralen Nervensystems. Eine Behandlung erfolgt in der Regel durch die chirurgische Entfernung, bestenfalls des gesamten Tumors und Strahlentherapie.  

Niko war nach der OP 3,5 Monate lang in Therapie. Das muss Euer Leben ziemlich auf den Kopf gestellt haben…
Ja. Wir beginnen erst langsam wieder damit, im Alltag anzukommen. Mein Mann und ich mussten natürlich viele Geschäftsreisen absagen. Niko konnte aber recht schnell zurück zur Schule und zu seinem Fussball-Training. Er nahm das Ganze nur als einfache Krankheit war, von der er jetzt genesen ist. Für ihn ist es vorbei. Er konnte bestens damit umgehen und es hinter sich lassen. Wir Erwachsenen brauchen da ein wenig mehr Zeit…

Nur diese Narbe von der Operation erinnert noch an den Tumor.

Er ist ein Kämpfer mit enorm starkem Charakter. Das hat ihm sehr geholfen.

Niko heute.

Er hat also alles prima weggesteckt? Die OP, die Therapien und Kontrollen?
Niko war wirklich total kooperativ. Er musste sehr oft ins Spital, aber das einzige was ihn nach der OP beunruhigte, als er danach eine Weile Mühe hatte, sein Gleichgewicht zu halten, war, dass er nicht mehr Fussball spielen könnte. Aber schon nach einer Woche konnte er wieder normal gehen und auch schon langsam damit beginnen, wieder zu rennen. Er ist ein Kämpfer, hat einen enorm starken Charakter. Das hat ihm sehr geholfen in dieser Lebensepisode mit dem Krebs.

Hattet Ihr während dieser Zeit Unterstützung? Sei es finanziell, im Haushalt und nicht zuletzt auch psychologisch?
Meine ganze Familie kam aus der Türkei angereist. Meine Eltern, meine Schwester, meine Cousine. Sie blieben abwechslungsweise hier und halfen. Finanziell hatten wir keinerlei Unterstützung. Ich bin mit meinem Arzt immer in Kontakt und mein Mann und mein Sohn bekamen auch psychologische Unterstützung.

Dass Niko Krebs hatte, sieht man nur, wenn man seine Narbe am Hinterkopf entdeckt. Wie geht es ihm damit?
Es ist ihm egal. Er weiss gar nicht, dass es Krebs war. Wir haben ihm gesagt, dass er einen kleinen Ball in seinem Kopf habe, den man Tumor nennt und dass die Ärzte ihn rausnehmen werden. So kann er seine Operation einfach erklären.

Auffälligkeiten beim Kind nicht ignorieren.

Habt Ihr irgendwelche Tipps für andere Eltern?
Wir sagen all unseren Freunden, dass sie Auffälligkeiten bei ihren Kindern nicht ignorieren dürfen – Kopf- oder Bauchschmerzen, Erbrechen etc. Und falls auf Anhieb nichts gefunden wird, es dem Kind aber weiterhin nicht gut geht, sollten Eltern am Ball bleiben und nicht aufgeben.

Kinderkrebs Schweiz – Unterstützung für die Eltern

Dieses Interview entstand in Zusammenarbeit mit Kinderkrebs Schweiz. Seit Juni 2018 engagiert sich Kinderkrebs Schweiz aktiv im Bereich der politischen Lobbyarbeit: „Die durch die Krankheit des Kindes bedingten Mehrkosten (tägliche Anfahrten ins Spital, Parkgebühren, Übernachtung bei dem Kind, Verpflegung der Eltern während des Spitalunterhaltes, Betreuung der Geschwisterkinder etc.) sind sehr hoch und können Eltern in eine schwierige finanzielle Situation bringen. Sie werden zurzeit nur von privaten Organisationen, wie unsere Mitgliedsorganisationen, die Eltern unterstützen, getragen. Im Rahmen unserer politischen Lobbyarbeit kämpfen wir gerade für eine Pauschale, die Eltern entlasten würde.

Betroffene Eltern entlasten

Auf der Website heisst es weiter: „Wir arbeiten daran, wichtige Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft und Gesundheit für das Anliegen krebskranker Kinder, Jugendlicher und deren Familien zu sensibilisieren und zu gewinnen.

Ziel ist dabei, sich einerseits für gute Rahmenbedingungen und Unterstützungsangebote für betreuende und pflegende Eltern einzusetzen, um sie zu entlasten und in ihrer Betreuungsaufgabe optimal zu unterstützen.

Anderseits ist es für Kinderkrebs Schweiz von zentraler Bedeutung, auf politischer Ebene für kranke Kinder und Jugendliche die bestmögliche medizinische Versorgung und psychosoziale Unterstützung zu fordern.

Fotos: von der Familie zur Verfügung gestellt – vielen Dank dafür!

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2 comments
  1. Es liest sich wie unsere Geschichte. Alles spielte sich fast genau gleich ab. Unser Kleiner ist aber 2 Jahre alt, auch er hatte ein Ependymom und wurde im September 2018 operiert. Die Bestrahlung haben wir letzte Woche, am 24. Dezember abgeschlossen, nun warten wir auch auf das erste Bild in 3 Monaten.
    Wir wünschen der Familie alles Gute und weiterhin viel Kraft, Mut und Zuversicht. ❤

    1. Lieben Dank für Deine Worte! So klein muss es noch einiges schlimmer sein. Ich kann nach wie vor kaum nachvollziehen, dass in einem so jungen Körper schon so etwas wachsen kann… aber Krebs war mir schon immer ein Rätsel. Ich verlor vor 10 Jahren meine Mutter daran…

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