So geht beziehungs- und bedürfnisorientierte Elternschaft

Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn“. Mit diesem Satz kann vermutlich ein Grossteil aller Eltern etwas anfangen, denn es ist nicht nur der Titel eines erfolgreichen Blogs, sondern auch derjenige von mittlerweile zwei erfolgreichen Büchern.

Das erste Buch habe ich irgendwie verpasst, verpeilt, was auch immer. Mir fehlt zum Lesen eben die Zeit. Auch den Blog kenne ich nicht, aber das zweite Buch, das wollte ich mir genauer anschauen. Warum? Na, um zu wissen, warum der Satz oben einen so durchschlagenden Erfolg hat, dass er immer wieder in meiner Bubble auftaucht…

Der Wahnsinn Teil 2 trägt übrigens folgenden Titel, Achtung lang: „Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn. Gelassen durch die Jahre 5-10“.

Bedürfnisse und Kommunikation

Und so habe ich es während ein paar Siestas in unserem Urlaub und auf dem Rückflug fast fertig gelesen und war sehr stolz. Ich wünschte, ich würde so 10x im Jahr in den Urlaub fliegen, dann wäre meine Rezensions-Kiste mal leer. 😀 Spass beiseite, nun zum Buch…

In Kürze: ich kann es sehr empfehlen! Meine Grossen passen mit 7 und 9 Jahren ja gerade noch rein in diesen zweiten Teil. 😉 Ich habe sehr viel mitgenommen, vor allem, was Bedürfnisse und Kommunikation angeht.

Die Autorinnen Katja Seide und Danielle Graf haben drei bzw. zwei Kinder. Im Buch „lese“ ich vor allem Katja Seide heraus. Zumindest drehen sich zahlreiche Beispiele um ihre Kinder oder ihre Arbeit und Erfahrungen als Sonderpädagogin.

An dieser Stelle bereue ich es nochmals, dass ein Pädagogik-Studium nicht Bedingung ist für’s Mutter werden. Ich denke immer wieder, wie sehr einem dies helfen würde… Naja, zumindest ein Crash-Kurs wäre toll gewesen!

Greifbare Praxis-Beispiele…

Die erwähnten Fallbeispiele eigener Kinder sowie von Eltern, die in Katja Seides Praxis um Rat geboten haben, sind gut gewählt. Sie zeigen alltägliche Situationen und familiäre Konflikte auf, wie ich sie selber durchaus schon ähnlich erlebt habe und kenne.

Und so dürfte es auch anderen Lesern gehen. Man fühlt sich also abgeholt und erhält auf den darauffolgenden Seiten auch die „Lösung“ des Problems oder aber ein Rezept dafür, wie man selber eine Lösung finden könnte.

Nur das allererste Beispiel wird nicht aufgelöst. Seide greift es am Ende von „Das gewünschteste Wunschkind…“ nochmals auf und man kann daraus nur schliessen, dass die Lösung dafür nicht von heute auf morgen entstehen kann…

Bei vielen Ratgebern, die ich las, fand ich es immer sehr schwer, alles konkret im Alltag umzusetzen. Man verschlingt das Buch, nickt beim Lesen ständig und sieht sich dann im nächsten Konflikt mit dem Kind wieder nach Schema F reagieren, obwohl man das nicht wollte.

Sein Verhalten zu ändern ist leider nichts, das von heute auf morgen funktioniert. Schon gar nicht wenn einen der Alltag mitreisst.

Schlüsselsätze für den Kühlschrank…

Es würde deshalb vermutlich helfen, einzelne Passagen oder Schlüsselsätze eines Buches nieder zu schreiben und überall im Haus aufzuhängen… 😉 Dies mal als konkreten Praxis-Tipp für Euch… Ich habe mir im Buch ein paar Eselsohren gemacht und gebe Euch nachher gerne mit auf den Weg, was ich mir merken möchte.

Jetzt aber noch rasch zu den Kapiteln bzw. Themen von „Das gewünschteste Wunschkind…“:

  • In „Drahtseilakt Zahnlückenpubertät“ entkräften die Autorinnen den oft gehörten Ausruf, unsere auf Bindung und Bedürfnisse geprägte Generation ziehe Tyrannen heran. Lesenswert also auch für Grosseltern etc.
  • In „Schon gross und doch noch klein“ geht es darum, Wünsche und Bedürfnisse zu unterscheiden, die Bedürfnisse mehrere Kinder (und der Eltern) unter einen Hut zu bringen und Kinder in ihrer Selbstständigkeit zu unterstützen ohne sie zu überfordern.
  • Dem Wunschkind die Wurzeln stärken“ – das wollen wir natürlich alle. Aber wie gehen wir in Beziehung mit ihm und wie können wir ihm Flügel wachsen lassen?
  • Ganz wichtig ist bekanntlich die „Selbstbestimmung für Wackelzahn-Rebellen“. Wo bestehen wir darauf, ein Mitspracherecht zu haben (ich will, dass mein Kind die Zähne jeden Tag putzt), wo setzen wir Grenzen, wo braucht unser Kind noch Hilfe und wo lassen wir es frei entscheiden? Hier widmen die Autorinnen auch dem immer wieder viel diskutierten Thema Neue Medien einige Seiten.
  • Wenn nicht strafen, was dann?“ Es gibt immer Alternativen. Strafen haben in einer bindungs- und beziehungsorientierten Elternschaft definitiv nichts verloren.
  • Übersetzungshilfen: Krasse Worte“ – auf dieses Kapitel über Kommunikation gehe ich gleich ausführlicher ein, da ich es für mich sehr wichtig fand.
  • Auf manche Lösungen kommt man nicht allein. Das Kind darf ruhig miteinbezogen werden – „vom Familiendesaster zum Win-Win-Kompromiss“.

Im Buch steht eine Liste von Dingen, die man vermeiden sollte, wenn man nicht will, dass Kinder sich plötzlich wertlos fühlen in ihrer Beziehung zu einer wichtigen Bindungsperson.

Und auf dieser Liste stehen viele sehr typische Dinge, die wir zum Teil vermutlich alle schon mal aus der Not heraus gemacht haben und die wir auch bei anderen immer wieder beobachten können. Allein, sich dem bewusst zu sein, hilft schon, es in Zukunft zu vermeiden.

Raus aus dem Teufelskreis…

In Folge der mangelnden Wertschätzung kommt es beim Kind meist zu aggressivem Verhalten: das Kind kooperiert nicht mehr, provoziert, entgleist. Ich kenne das von meinem Grossen leider gut.

An dieser Stelle beruhigt Seide uns aber: sie habe nur wenige Fälle erlebt, in denen trotz aller Bemühungen und Liebe den Kindern nicht geholfen werden konnte. Wir haben also eine Chance, aus diesem Kreislauf auszubrechen, indem wir ihre unerfüllten Bedürfnisse erkennen und erfüllen.

Doch welche sind das? Im 2. Kapitel von „Das gewünschteste Wunschkind 5-10“ werden die Bedürfnisse wie folgt aufgelistet

  • Authentizität und Integrität
  • Selbstwirksamkeit
  • Eigene Entscheidungen treffen
  • Wertschätzung
  • Emotionale Verbundenheit
  • Ein Ziel haben
  • Zugehörigkeit und Geborgenheit
  • Zur Bereicherung einer Gemeinschaft beitragen
  • Lachen und spielen
  • Gefühle ausleben
  • Struktur erleben

Sie sind alle detailliert beschrieben und es ist gut, sie zu kennen… Auch deshalb, weil wir sie so von Wünschen unterscheiden können. Aber das könnt Ihr selber nachlesen, ich will hier ja nicht zu viel verraten, sondern widme mich jetzt kurz den „vier Ohren“, mit denen wir Botschaften heraushören,wenn jemand etwas zu uns sagt.

Ich erinnerte mich sofort daran, denn es kam in meinem Publizistik-Studium vor! Aber es war mir bis heute nicht mehr präsent. Dabei ist es ein richtiger Augen- bzw. eben Ohren-Öffner!

Warum wir uns oft missverstehen…

Wir können eine an uns gewendete Nachricht auf vier verschiedenen „Ohren“ hören: dem Sach-Ohr (Sachinformation), dem Beziehungs-Ohr (was hält der andere von uns), dem Selbstoffenbarungs-Ohr (was der andere über sich selbst preisgibt) und dem Appell-Ohr (wozu uns der andere vermutlich veranlassen möchte).

Gleichzeitig kann sich der Sender mit seiner Nachricht an ein bestimmtes Ohr wenden. Ihr merkt schon: je nachdem, wie wir die Nachricht empfangen und dann wiederum eine Antwort senden, kann es zu einem totalen Missverständnis kommen.

Dabei geht es nicht nur um die Kommunikation zwischen Eltern und Kind, sondern auch zwischen den Eltern selbst oder zwischen Mutter und Schwiegermutter etc. Hält man sich das ganze erst mal vor Augen, müssen wir uns nicht mehr wundern, weshalb es zu so vielen zwischenmenschlichen Konflikten kommen kann.

Seide hat das ganze wiederum wunderbar mit Beispielen untermalt. Und berichtet, dass sie ihren Kindern vom Vier-Ohren-Modell erzählt hat und seitdem hat sich die Kommunikation verbessert. Denn manchmal fragt ein Kind nach, an welches Ohr die Nachricht gerichtet wurde oder sie selbst ergänzt diese Information.

Aktives Zuhören – in Beziehung gehen

Keine zwei Wochen nachdem ich das Kapitel und Fallbeispiel über das aktive Zuhören gelesen habe, erhielt ich selber die Gelegenheit es auszuprobieren. Und siehe da: es klappte!! Ich konnte es selber nicht fassen. In diesem Instagram-Post erzähle ich es Euch. Ihr könnt „Das gewünschteste Wunschkind“ auch nur deswegen kaufen, es lohnt sich! 😀 Echt!

Vermutlich war es ein Glücksfall, den ich nicht mehr wiederholen kann, denn einfach fand ich es nicht, die richtigen Worte zu finden, damit er sich mir öffnet, aber es hat geklappt. Werde es weiter üben, drückt mir die Daumen!

Aber ich bin natürlich froh, wenn ich das gar nicht muss, sondern in dem Fall vorbeugend mehr Exklusiv-Zeit mit ihm verbringen denn genau das hat er sich gewünscht…

Fazit: Ich kann das Buch wirklich allen Eltern älterer Kinder, die immer wieder aneinander geraten, sehr ans Herz legen. Es wird Euch für vieles die Augen (und Ohren) öffnen…

→ Hier geht es zur Rezension über den Nachfolger, das Geschwisterbuch.

Und hier könnt Ihr „Das gewünschteste Wunschkind“ kaufen:

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2 comments
  1. Haha, also ein Pädagogik- Studium braucht man zum Mama sein definitiv nicht! Ich habe nach der Schule eine 5 jährige Erzieher-Ausbildung absolviert, den Beruf nach 5 Jahren aber zum Glück aufgegeben und seit ich Mama bin, habe ich quasi alles, was ich in der Ausbildung über den Umgang mit Kindern gelernt habe über den Haufen geschmissen! Bedürfnisse? Was ist das? Konsequent muss man sein! Erzieher-Autorität! Dinge über Lob und Strafe steuern! Schrecklich…

    1. Haha, gut zu wissen, das beruhigt mich jetzt etwas… 😀

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