Die digitale Welt macht auch vor den noch ganz jungen Schülern keinen Halt. Was in anderen Ländern und Schulen zum Teil schon gang und gäbe ist, soll nun auch in Liechtenstein geprobt werden, wie die Landeszeitungen heute berichteten. Nach den Osterferien wird jeder Erstklässler an der Primarschule in Ruggell ein eigenes Tablet erhalten und zwar das rund 300 Franken teure (kommt auf die Version an) des bekannten Herstellers mit dem Apfel. Insgesamt sind es 38 i*Pads, 2 davon gehen an die Lehrer. Finanziert wird dieses Projekt von der Gemeinde.
Tablet als Arbeitsinstrument
Die Schulleiterin erklärt in der Zeitung, das Gerät nicht als Ersatz sondern als Ergänzung zu bisherigem Unterrichtsmaterial zu sehen. Ziel ist es offenbar, den Schülern Kompetenzen im Umgang mit dem Gerät sowie den neuen Medien beizubringen. Es gilt, das Tablet als Arbeitsinstrument kennen zu lernen und zu nutzen, aber auch Gefahren im Umgang damit.
Auch die Eltern sollen miteinbezogen werden. Sinnvollerweise verbleibt das Tablet während der ersten drei Jahre in der Schule. Danach soll mit den Eltern besprochen werden, ob die Schüler das Gerät auch mit nach Hause nehmen dürfen. Dies erklärte mir Marcel Kaufmann, Lehrer und Mitglied der ICT-Gruppe, welche das Konzept mit dem Schulamt erarbeitet hat.
Wie aus der Diskussion auf meiner Facebook-Seite zu entnehmen ist, fühlen sich einige Eltern „übergangen„. Nicht alle sind mit diesem Versuch einverstanden. Ob sie ihre Meinung ändern, wird sich wohl zeigen, wenn das Projekt startet und die Eltern eingehend informiert und „geschult“ werden.
Apps für Kleinkinder
Ich erkenne einerseits durchaus an, dass die neuen Medien im Unterricht langsam eingeführt werden sollen – unabhängig davon, dass wohl die meisten Kinder schon lange vorher in Kontakt damit kommen, da die meisten Haushalte über Tablet, Notebook oder Smartphone verfügen.
Schon sehr kleine Kinder sind schnell fasziniert von den Geräten, die den Alltag ihrer Eltern prägen. Auch lernen sie rasch, wie die Geräte bedient werden können. Apps gibt es schon für Kleinkinder und viele Eltern nutzen die Geräte zwischendurch gezielt, um ihre Kinder zu unterhalten, sei es im Wartezimmer des Arztes oder auf einer langen Autofahrt.
Kaum ein Kind wird also ohne Vorkenntnisse mit dem Tablet in Berührung kommen. Nur kennen sie es vor allem als Spielgerät und Unterhaltungsmedium. In der Klasse soll sich dies also ändern.
Gäbe es nicht wichtigeres?
Zweifel habe ich daran, dass bereits Erstklässler einen nicht-spielerischen Umgang mit dem Gerät erlernen sollen. Sollte nicht in den ersten Schuljahren anderes im Vordergrund stehen, das mit herkömmlichem Schulmaterial genau so gut erlernt werden kann?
Mich stört diese „so früh als möglich„-Haltung ein wenig, so sehe ich z.B. auch nicht ein, dass Englisch als Fremdsprache bereits in der Primarschule Einzug halten muss. Den Nutzen schätze ich als zu gering ein.
Was ich ebenfalls hinterfrage, ist die Tatsache, dass Sechsjährige schon über ein eigenes Gerät verfügen sollen, auch wenn es im Klassenzimmer verbleiben wird. Marcel Kaufmann argumentierte damit, dass die Kinder Verantwortung für Fotos, Filme, etc. übernehmen müssen.
Zudem gebe es bei Geräten, die geteilt werden, oftmals Probleme mit Bildern oder auch Mail-Accounts, die missbraucht wurden. Hier stellt sich mir schon die Frage, warum in einer ersten Klasse, in der die Kinder gerade erst das Schreiben (von Hand!) und Lesen erlernen, bereits ein Mail-Account in der Klasse genutzt werden soll.
Braucht ein Primarschüler einen Mail-Account?
Zwar erhält jeder Schüler automatisch einen eigenen Mail-Account, jedoch kann doch dieser auch einfach zuhause abgerufen werden. Ich sähe meinen bald 6-jährigen Sohn überfordert damit, lesen und schreiben zu lernen und gleichzeitig bereits einen Mail-Account zu nutzen. Aber vielleicht bin ich für dieses Verständnis noch zu wenig „digital native„.
Auch Fotos und Filme sind ja gut und schön, haben für mich aber mehr mit Freizeit als mit Lernen zu tun. Ich persönlich fände also, dass in den ersten Schuljahren ein paar wenige Tablets für den Klassenverbund ausreichen würden um sich schrittweise der Thematik zu nähern. Ab der 3. oder 4. Klasse kann man dann ja nochmals darüber diskutieren…
Ich erinnere mich noch gut an meine ersten Begegnungen mit dem Computer. Eine Art Lerncomputer hatte ich bereits als Kind. Den ersten PC lernten wir in der 3. Klasse kennen. Genutzt werden durfte er v.a. in den Pausen für das Spielen von Oxyd, ein Game, das manche vielleicht noch kennen. Ich mochte es ganz gerne.
Spät gelernt, aber durchaus fähig
Zuhause „erbten“ wir dann auch irgendwann einen alten Atari, auf dem ich via Diskette einzelne Spiele machen konnte. Erst im Gymnasium ersetzte mir der Computer dann die Schreibmaschine. Im Informatik-Unterricht wurden wir ans Chatten, ans E-Mail-Schreiben und an den Umgang mit den Windows-Programmen und dem Internet herangeführt.
Das reichte vollends und ich wage mal zu behaupten, dass ich heute genug weiss, um mit meinem Notebook und dem Tablet (das sowieso selbsterklärend weil so simpel) ist, umzugehen und ich sehe mich auch (noch) als kompetent genug an, um meine Kinder sinnvoll an die Materie heranzuführen.
Selbstredend erleben sie mich täglich am Notebook schreibend, arbeitend und surfend. Auch dürfen sie das Tablet gelegentlich für Spiele oder ähnliches nutzen und wissen es diesbezüglich zu bedienen.
Machen Tablets bald „Schule“ in der Schule?
Mein Sohn kommt im Sommer in die erste Klasse. Ich sehe nicht ein, dass er da schon ein eigenes Tablet zur Verfügung haben sollte, auch wenn es einem guten Zweck dient. Ich bin einfach der Meinung, es reiche vollends in den höheren Klassen… Wir besassen damals noch eine persönliche Schreibtafel. Dies scheint nun definitiv „old school“ zu sein.
In drei Jahren wird das Konzept evaluiert und im Gemeinderat wird über eine Weiterführung entschieden. Dies dürfte dann auch Vorbildfunktion für die anderen Landesschulen haben. Ich bin gespannt, wie es sich entwickelt und werde es auf jeden Fall verfolgen.
Nun aber zu Euch, die Ihr ja auch aus Deutschland, Österreich, der Schweiz etc. mitliest. Was hält Ihr von dem Projekt? Habt Ihr diesbezüglich schon Erfahrungen? Ich freue mich über Eure Meinungen und Berichte…
Das Bild zeigt übrigens meine Kinder im letzten Sommerurlaub auf dem Flughafen beim Warten auf den verspäteten Flieger. Auf dem i*Pad haben wir diverse Filme abgespeichert damit wir unterwegs solche Situationen gut überbrücken können. Der Flughafen war rappelvoll, es blieb nur noch der Boden für die kurze „Bildschirmpause„…