Das heutige Interview durfte ich mit Olivia Badertscher führen. Ich habe die fröhliche Schweizerin vor Jahren in St. Gallen am Windelfrei-Coaching-Kurs kennen gelernt. Seit September 2016 lebt sie mit ihrem Mann Mike, ihren zwei Töchtern und der Familie ihres Schwagers auf La Palma. Hier wollen sie eine Permakultur aufbauen, Gäste beherbergen und viel Zeit gemeinsam verbringen.
Olivia, ihr lebt auf einem wunderschönen, 13‘000 m2 grossen Grundstück auf La Palma – mit viel Natur, Blick auf’s Meer, einem eigenen Pool, Gästehaus, dazu das ganzjährig milde Klima. Klingt traumhaft! Habt Ihr Euch gut eingelebt?
Olivia: Wir fühlen uns sehr wohl in unserem neuen Zuhause, sind aber immer noch voll beschäftigt mit Auspacken, Einräumen, unser Grundstück am Kennenlernen und in Schwung halten. Es gibt viele Sachen, die anders sind, als wir es vorher gewohnt waren. Auch das Zusammenleben mit dem Bruder meines Mannes und seiner Familie oder die neue Situation, dass wir als Familie 24 Stunden zusammen sind, braucht seine Eingewöhnungszeit. Bis jetzt ist es aber insgesamt besser, als wir es uns hätten vorstellen können. Wir geniessen unser kleines Paradies sehr.
Spricht Ihr schon ein wenig spanisch oder seid Ihr auch so gut mit den Behörden etc. klar gekommen?
Mike’s Bruder und seine Frau übernehmen hauptsächlich die Kommunikation auf Spanisch, da sie sich schon verständigen können. Ich gehe in den Sprachunterricht und lerne langsam aber stetig spanisch. Ich freue mich aber sehr darauf, mich besser mit den Einheimischen verständigen zu können.
Konntet Ihr den Grundstückkauf mit Eurem Ersparten finanzieren?
Nicht nur, wir sind dankbar, dass uns die Eltern unterstützt haben.
Wie ich gelesen habe, arbeitet Ihr beide nicht (mehr) als Angestellte, sondern Ihr bewirtschaftet Euer Grundstück – wie kann man sich das vorstellen?
Es war unser Traum, als Familie ein Projekt oder eine Arbeit zu haben, die wir gemeinsam machen dürfen, aber auch dass Mike mehr Zeit mit den Kindern hat. Zur Zeit stehen wir täglich auf und machen das was anfällt: Früchte ablesen und verarbeiten, Tiere füttern, schauen, dass alles genug Wasser bekommt sowie den Aufbau unseres Gemüsegartens. Unser Ziel ist es auch, möglichst viele Lebensmittel selbst herzustellen und nur noch das Nötigste einzukaufen, aber auch das ist ein Prozess. Erstmal müssen wir einfach schauen, dass wir überhaupt mit der Arbeit nachkommen bei so einem grossen Grundstück. Wenn sich dann alles ein wenig eingespielt hat, werden wir dann Stück für Stück unsere Ideen im Grundstück mit einfliessen lassen, denn Ideen haben wir viele…
Woran plant Ihr, Geld zu verdienen?
Unsere Haupteinnahmequelle wird unser Angebot für Gäste und Besucher sein. Wir möchten unsere kleine Oase für andere Menschen zugänglich machen. Mehr Infos dazu folgen bald auf unserer Homepage.
Ihr möchtet etwas in Richtung Permakultur machen. Was bedeutet das genau?
Also das Wort Permakultur ist abgeleitet von permanenter Agrikultur, also einer stetigen Landwirtschaft. Permakultur ist das Erschaffen von kleinen Paradiesen auf unserer Erde. In der Permakultur schafft man ein nachhaltig funktionierendes System mit natürlichen Kreisläufen. Man nimmt also die Natur als Vorbild und schafft mit ihr und nicht gegen sie. Unser Permakulturgarten soll vielfältig, artenreich und voller Leben sein. Jedes Tier, jede Pflanze und jeder Mikroorganismus hat seinen Platz. Ein wichtiges Projekt welches bei uns ansteht, ist, mehrere Naturteiche in die Landschaft einzubetten um das Wasser der Regenzeit länger auf dem Grundstück halten zu können und so den Wasserkreislauf zu schliessen. Unser Ziel ist es auch, den Menschen, die uns besuchen, diese vielfältige Lebens- und Schaffensart etwas näher zu bringen. Permakultur kann übrigens auch jeder in seinem eigenen Garten anwenden. Es ist echt spannend, sich damit auseinanderzusetzen.
Wie alt sind Eure Mädels jetzt und besuchen Sie in La Palma einen öffentlichen Kindergarten o.ä.?
Sie sind zwei und vier Jahre jung. Wir haben gemerkt, dass es für alle eine Überforderung wäre, wenn die ältere Tochter gleich in den Kindergarten gehen würde wenn wir hier ankommen. Daher haben wir entschieden, sie erst nächstes Jahr in die öffentliche Schule/Kindergarten bei uns im Dorf zu schicken. Uns war von Anfang an klar, dass es für die Sprache und die Integration wohl das Beste für unsere Mädels sein wird, mit Einheimischen zur Schule zu gehen. Aber alles zu seiner Zeit.
Wie viel Freizeit habt Ihr nun gemeinsam und wie gestaltet Ihr sie?
Wir haben dann Freizeit, wenn wir sie uns nehmen?, zumindest momentan noch. Leider hatten wir bis jetzt noch nicht viel Zeit oder unsere Prioritäten waren anders, z.B. die Insel zu erkunden. Aber einen fixen Ruhetag, an dem wir nur das machen, was wir möchten und geniessen, ist der Samstag. Das tolle ist, dass es schon Freitagabend anfängt mit einem gemeinsamem Filmabend. So feste Rituale tun auch uns Erwachsenen und nicht nur den Kindern gut. Aber wir sind sonst viel zusammen, essen gemeinsam und die Kinder sind ja immer dabei, ob im oder ums Haus. Wir geniessen das viele Zusammensein sehr und die Kinder finden es toll, den Papa oft um sich zu haben. Mittlerweile ist es schon so, dass die Zweijährige in der Nacht immer nach dem Papa ruft, wenn sie aufs Klo muss. Das war vorher anders als, ich ihre Hauptbezugsperson war. Ich finde das sehr schön, dass sie nun genau so eine intensive Beziehung zu ihrem Papa aufbauen können.
Du schreibst, dass Deine Begeisterung, nachdem Ihr das Grundstück entdeckt habt, irgendwann wieder wich weil Du eigentlich gar nicht auswandern und alles zurücklassen wolltest. Es war Dir aber klar, dass Euer Traum so in der Schweiz nicht zu verwirklichen gewesen wäre. Ich kann diese Gedanken gut nachvollziehen. Wie ging es Deinem Mann und den Kindern dabei, alles zurück zu lassen? War schliesslich jemand von Euch die treibende Kraft?
Wir glauben schon, dass unser Traum auch in der Schweiz hätte verwirklicht werden können, einfach anders. Jedoch sollte es nicht so sein, denn der Weg hat uns ganz klar nach La Palma geführt. Mike hatte viel weniger Mühe mit dem Zurücklassen von unserem Schweizer Leben, von Freunden und Familie, als ich. Jeder Mensch ist ja individuell und genau so geht auch jeder anders mit einer Situation um. Wir trugen diesen Wunsch oder Traum schon seit fünf Jahren mit uns herum, gemeinsam als Ehepaar etwas zu machen, von dem wir leben können. Als wir dann im September 2015 in den Ferien auf La Palma vor offenen Türen standen und unser Traum zum Greifen nah war, wussten wir beide (ich etwas später als Mike), dass dies unser Weg sein wird. Als es dann definitiv wurde, dass wir die Schweiz verlassen, haben wir mit unseren Mädels immer wieder darüber gesprochen und ihnen erklärt, wie es dann sein wird wenn wir von der Schweiz weg gehen. Für sie war und ist es sicher auch eine Stütze, dass ihre Cousine auch mitgekommen ist. Wir denken, dass unsere Mädels das beste Alter hatten, um auszuwandern. In ihrem Alter haben sie ja noch keine festen Wurzeln geschlagen und wenn Mama und Papa da sind und ihnen Sicherheit und Halt geben, fühlen auch sie sich wohl.
Vermissen die Kinder nun Ihre Heimat oder fühlen Sie sich rundum wohl auf La Palma?
Anfangs hat unsere Zweijährige oft gefragt, wenn wir mit dem Auto unterwegs waren, ob wir denn jetzt zu Grossmami und Opa fahren. Mittlerweile weiss, sie dass wir nicht einfach so schnell mal zu unseren Liebsten gehen können. Oder die Ältere sagt ab und zu, dass sie gewisse Menschen in der Schweiz vermisst. Jedoch strahlen beide eine grosse Zufriedenheit aus und machen tagein, tagaus dass was sie am liebsten machen, nämlich spielen.
Wie haben Eure Familien und Freunde Eure Entscheidung aufgenommen und besuchen Sie Euch regelmässig?
Klar haben unsere Familien und Freunde nicht gerade Luftsprünge gemacht, als sie von unseren Plänen erfahren haben. Die Freude für uns, dass wir unseren Traum leben können, hat aber überwogen und die Mehrheit bestärkte uns in unserem Vorhaben und hat uns auf verschiedene Arten unterstützt. Es ist ein Geschenk, solche Freunde und Familien zu haben. Der regelmässige Kontakt via Telefon oder WhatsApp gibt einem bis jetzt gar nicht so sehr das Gefühl von grosser Distanz. Da wir ja erst drei Monate auf der Insel sind, hat sich ein Besuch noch nicht ergeben. Es sind aber schon einige Besuche angekündigt und geplant.
Wie würdest Du Euch als Familie beschreiben? Ihr lebt z.B. vegan, oder?
Wir sind eine ganz normale Familie, die versucht jedes Familienmitglied als Individuum zu sehen und zusammen ein Miteinander gestalten. Mit unseren Kindern versuchen wir Beziehung anstelle von Erziehung zu leben. Wir lernen immer mehr, auf unseren Instinkt zu hören und leben gerne selbstbestimmt. Wir haben grosses Gottvertrauen und möchten seine Schöpfung wertschätzen. Das heisst für uns auch, möglichst keine Ausbeutung von Natur, Mensch und Tier. Daher leben wir seit 2013 auch vegan orientiert. Da wir aber nun mit einer anderen Familie zusammen leben, haben sich auch die Speisen, die täglich zubereitet werden, ein wenig verändert. Jeder hat ja andere Essgewohnheiten und in einer Gemeinschaft ist Toleranz und offene Kommunikation sehr wichtig. So hat es auch mal Eier oder lokalen Ziegenkäse auf dem Tisch.
Du schreibst, dass Ihr noch viele Projekte plant und Visionen habt. Magst Du mir ein wenig davon erzählen?
Träume und Visionen sind wichtig, denn hätten wir den Traum vor über fünf Jahren nicht gehabt, würden wir jetzt wohl nicht da sein wo wir sind. Wir haben viele kleine Träume und Pläne, die wir gerne hier auf La Palma umsetzen würden, wenn es soweit ist, wird man davon erfahren?. Das nächste wird im April 2017 gestartet. Dann öffnen wir unser kleines Paradies für Gäste. Als eine Vision, die in weiter Ferne liegt, könnten wir uns vorstellen, im Ausland, wo Armut und Hungersnot herrscht, unser über all die Jahre angesammeltes Wissen über Permakultur weiter zu geben und damit den Menschen vor Ort zu helfen, ihre eigene Existenzgrundlage und natürlichen Reichtum zu schaffen. Denn Permakultur würde sogar in der Wüste funktionieren.
Zum Schluss ein Zitat, das uns als Familie begleitet:
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt„. (Mahatma Gandhi)
Mehr über Olivias Familie, ihre ganze Geschichte, wie es zur Auswanderung kam oder was ihnen im Leben wichtig ist könnt ihr auf ihrer Homepage lesen. Auf Facebook findet ihr die Familie unter „La Palma-Unser Inselleben“.
Herzlichen Dank, liebe Olivia, für das tolle Interview! 🙂
Fotos: Familie Badertscher
Lest gerne auch: eine Grossfamilie lebt ihren Traum…