Familie am Strand

Co-Parenting: Eltern ohne Partnerschaft

Co-Parenting„, zu deutsch Co-Elternschaft, ist eins der relativ neuen Familien-Konzepte, denen man noch relativ selten begegnet. „35, alleinstehend, mit Kinderwunsch. Da diese Kombination so ziemlich jeden Mann verschreckt, habe ich mich entschlossen, alleine ein Kind zu bekommen. Über diese Reise werde ich schreiben.„, liest man auf Planning Mathilda, einem der bekanntesten Blogs zum Thema. Ich habe Bloggerin Jennifer Sutholt befragt.

Jennifer von Planning Mathilda
Bild: planningmathilda.com

Diese Situation ist heutzutage nicht selten. Man findet lange nicht den richtigen Partner oder trennt sich bevor das Thema Kinderwunsch in Angriff genommen wird. Währenddessen tickt die innere Uhr. Alleine ein Kind bekommen? Will man das wirklich? Jennifer ging einen anderen Weg:

Jennifer, wie so viele Frauen warst Du Mitte 30 Single mit Kinderwunsch. Anstatt zu warten, hast Du beschlossen, einen Vater zu suchen, aber keinen Partner. Wie bist Du vorgegangen und was für Alternativen hast Du Dir vorher überlegt?
Jennifer Sutholt: Man hat ja als Frau mehrere Optionen und ich bin sie alle durchgegangen, es blieb am Ende aber erstmal nur die Samenspende übrig, denn mir war auch wichtig, was ich meinem Kind später erzählen müsste. “Ich wollte wirklich ein Kind, deshalb hatte ich einen One-Night-Stand und habe deinem Erzeuger nichts von dir erzählt” – das war nicht mein Anspruch. Eine Adoption ist als Single eigentlich unmöglich. Eine Beziehung simulieren finde ich auch schäbig, also war mein Weg die Samenspende, bis mich eine Kollegin mit dem Konzept des Co-Parenting bekannt machte und mir den Vater meiner Tochter gleich mitlieferte.

„Wir mochten uns sofort und waren uns schnell einig.“

Du hast also einen passenden Vater gefunden. Es war nicht irgendeiner, sondern ein Bekannter. Wie kam es dazu?
Wie gesagt habe ich einer Kollegin mein Leid geklagt und sie hat mir erzählt, wie ihre Familiensituation so ist. Sie hat ein Kind mit einem schwulen Kollegen von uns und es funktioniert wunderbar bei den beiden. Organisation, Absprachen, Kinderbetreuung , alles entspannt. Klang für mich grossartig. Und sie hat mich gleich an einen Freund von ihr verwiesen, auch ein Kollege, das machte es natürlich einfacher. Wir mochten uns sofort und waren uns relativ schnell einig, es als Co-Eltern zu versuchen.

Ihr habt schon vor der Zeugung alles Mögliche geklärt. Hattet Ihr da auch eine Art Vertrag für das Co-Parenting oder Euch sonst wie abgesichert?
Wir haben uns verschiedene Dinge in die Hand versprochen und den Rest dem deutschen Sorgerecht überlassen. Wir haben geteiltes Sorgerecht und das regelt so ziemlich jede Situation, die zwischen streitenden Ex-Partnern entstehen kann. Alles, was man vertraglich festlegt, was gegen diese Regelungen verstösst, ist sowieso nichtig im Streitfall.

Es hat beim ersten Versuch geklappt

Jennifer von Planning Mathilda mit ihrer Tochter
Bild: planningmathilda.com

Du wurdest sofort schwanger, obwohl Ihr keinen Geschlechtsverkehr hattet. Standen die Chancen bei dieser indirekten Methode (Becher-Spritze) statistisch gesehen tatsächlich gut oder war es ein glücklicher Zufall?
Statistisch ist die Wahrscheinlichkeit, mit der Becher-Methode schwanger zu werden sogar etwas höher, denn das macht man eher nicht zum Spass, sondern sehr gezielt mit Ovulationstest, Temperaturmessung und Fruchtbarkeits-App. Dass es allerdings beim ersten Versuch klappen würde, das hat uns beide erst überrascht und dann wirklich gefreut.

Was bedeutet Eure Regelung für das Finanzielle? Zahlt der Vater trotzdem Unterhalt oder habt Ihr da eine eigene Lösung gefunden bzw. was sagt das Gesetz?
Er zahlt normal Unterhalt nach Tabelle, allerdings nicht für die Kleine, sondern mir als Kompensation für meinen Verdienstausfall bzw. die Minderung der Rente. Teilzeit arbeiten ist wirklich kostenintensiv, wenn man es sich genau durchrechnet. Alle laufenden Kosten teilen wir mehr oder weniger, wir führen da nicht wirklich Buch. Er zahlt zum Beispiel die Windeln, ich alles, was so im Alltag anfällt, Essen jeder dann, wenn die Kleine da ist.

„Die Kleine hat zwei Zuhause“

Ihr lebt nicht zusammen, habt aber das gemeinsame Sorgerecht. Was bedeutet das konkret bzw. wann wird Eure Tochter von wem betreut, gerade auch im Hinblick auf Deinen Job als Flight Attendant, mit dem Du oft mehrere Tage am Stück weg bist?
Die Kleine ist mehr oder weniger immer bei demjenigen, der nicht arbeitet. Das macht ungefähr eine 60/40 Aufteilung, das ist bei uns sehr flexibel, da jeder Monat anders ist. Wir sind ja beide Flugbegleiter, er arbeitet 75%, ich 50%. Wenn es ganz eng wird, springt meine Mama auch gerne mal ein.

Hat Eure Tochter in beiden Wohnungen ein Zimmer?
Ja, die Kleine hat zwei Zuhause und wechselt sehr selbstverständlich hin und her. Sie kennt es ja auch nicht anders.

Wie alt ist sie jetzt und wie lebt sie damit, sprich, wie klappt der Wechsel von der Mutter zum Vater und wieder zurück?
Sie ist knapp über zwei und übernachtet beim Papa seit sie ungefähr 16 Monate alt ist. Für sie ist es selbstverständlich, dass sie immer mehr Zeit beim Papa verbringt, ich arbeite ja wieder seit sie 18 Monate alt ist. Sie ist sehr gerne beim Papa, freut sich immer sehr, wenn er sie abholt. Natürlich freut sie sich genauso, wenn sie wieder zu mir zurückkommt.

„Streit hatten wir bis jetzt nie.“

Jennifer von Planning Mathilda mit ihrer Tochter
Bild: planningmathilda.com

Denkt Ihr manchmal, dass Euer Modell des Co-Parenting besser funktioniert als das klassische weil die Komponente der Beziehung zwischen Euch als Paar wegfällt? Macht es das ganze einfacher, sachlicher? Auch in Bezug auf Streitereien um Haushalts-Arbeit, Berufstätigkeit, Kinderbetreuung, Freizeit oder generell (oder kommt das auch vor)?
Streit hatten wir bis jetzt noch gar nicht – eine gute Bilanz nach mehr als 2 Jahren. Ich kenne es ja nun nicht mit Partner, aber ich finde unser Modell sehr einfach. Ja, ich war anfangs viel alleine mit der Kleinen, die Nächte war sie ja immer bei mir. Ich persönlich empfand es aber nie als Belastung, zumal sie sehr gut geschlafen hat im ersten Jahr. Ich finde es auch einfacher, wenn man keine Rücksicht nehmen muss, weil jemand anders in der Wohnung schlafen möchte. Im Moment sind wir viel wach nachts, das geht aber problemlos, da es keinen stört, ausser mich natürlich. 😉

Ausserdem fällt die ganze Beziehungsarbeit weg. Wenn man ein Kind bekommt, dann muss man sich auch als Paar ganz neu aufstellen. Ich habe zwei meiner Freundinnen daran scheitern sehen , das ist dann auch wirklich unschön, wenn man nach einem Jahr mit Kind alleine ist – ungeplant. Ich war von Anfang an darauf eingerichtet, viel alleine zu machen, das macht es auch einfacher.

Wie würdet Ihr Euren Erziehungsstil beschreiben und seid Ihr da auf einer Linie? Auch bzgl. allfälliger „Regeln“ wie Schlafenszeiten…
Grundsätzlich haben wir die gleichen Ideen, da haben wir uns vorher ziemlich genau abgesprochen. Im Detail macht jeder so ein bisschen sein eigenes Ding, bei aktuellen Themen sprechen wir uns aber natürlich ab. Sie kann das aber auch sehr gut unterscheiden, zum Beispiel essen wir bei mir zu Hause auch mal im Bett, das erlaubt der Papa nicht.

Geht Ihr offen mit Eurem Arrangement um und falls ja, stösst Ihr auch mal auf Ablehnung, Kritik etc., z.B. wie egoistisch das ist und „das arme Kind“ etc. und wie reagiert Ihr da?
Wir kommunizieren das sehr offen und die meisten Reaktionen sind positiv, es funktioniert ja auch sehr gut. “Das arme Kind” höre ich schon auch mal, aber ganz ehrlich, dem Kind geht es nicht besonders schlecht, vielleicht sogar besser als Kindern aus getrennten Beziehungen, in denen aus Liebe ein Rosenkrieg wurde. Bei uns läuft es entspannt ohne Streit.

„Wer da ist, kümmert sich“

Habt Ihr „Zuständigkeiten“? Z.B. in Bezug auf Unternehmungen, die Wochenenden, Krankheit, allenfalls Hol-/Bring-Dienste, Ferien, oder später dann das Schulische, die Hausaufgaben. Wie plant Ihr Euch diesbezüglich aufzuteilen?
Bis jetzt haben wir eine go with the flow Regelung. Fixe Termine wie Schule etc. stehen ja noch nicht an. Wer da ist, kümmert sich, wir besprechen alles was ansteht. Wie das dann mit Schule aussieht, das wird sich zeigen.

Planningmathilda Blog Bild: planningmathilda.com

Sind weitere Kinder mit allenfalls neuen Partnern für Euch ein Thema u/o könntet Ihr Euch sogar vorstellen, miteinander nochmals ein Kind zu bekommen?
Ein zweites gemeinsames Kind wird es nicht geben, der Papa ist mit dem einen zufrieden. Ich möchte es für mich nicht ausschliessen, sollte doch noch mein Traummann um die Ecke kommen. Aber eigentlich bin ich so zufrieden wie es ist. Man hat ja immer so eine Idee von sich und seiner Zukunft im Kopf, ein Bild, und bei mir waren es immer nur ich und mein Mädchen. (Anm. v. mir: das Interview hat Jennifer schon vor ein paar Wochen beantwortet. Unterdessen ist das tatsächlich eingetroffen, sie hat jemanden kennen und lieben gelernt… man darf also gespannt sein, was sich noch so tut bei ihr ;).

Co-Elternschaft bzw. Co-Parenting hört man immer öfter, es scheint sich vielleicht noch nicht zu etablieren, aber doch als durchaus gangbare Möglichkeit zu zeigen, vor allem da viele Frauen/Männer sich in deiner Situation befinden und Eizellen einfrieren nicht unbedingt eine kostengünstige und sichere Methode ist. Wer weiss schon, wann der Mann fürs Leben kommt… Du hast auch viele Erfahrungsberichte auf Deinem Blog. Was denkst Du, wird dieses Arrangement populärer?
Co-Parenting wird sicher die klassische Familie nicht ersetzen, das ist gar nicht der Anspruch. Aber ich finde, es gibt Frauen die Möglichkeit, den Kinderwunsch auf eine faire und für alle Beteiligten angenehme Weise anzugehen.

Die Alternativen sind ja alle irgendwie schäbig: Beziehung vortäuschen, One Night Stand ohne Verhütung, jemandem eins anhängen. Oder die Samenspende. Wer es nicht ganz alleine machen möchte, der hat mit Co-Parenting die Möglichkeit, eine elegante Lösung zu haben. Vielen Frauen reicht es auch als mentaler Exit, also zu wissen, wenn es nicht klappt mit dem Mann, dann mache ich es eben anders.

„Vertrauen und Geld sind die wichtigsten Punkte beim Co-Parenting“

War/ist es bei Euch nie ein Thema, dass Ihr tatsächlich auch ein Paar werdet?
Eigentlich nicht. Wir haben über die Möglichkeit gesprochen, es aber relativ schnell ausgeschlossen. Wir sind sehr unterschiedlich und ein sehr gutes Eltern-Team, aber beide nicht das, was der andere in einem Partner sucht.

Was zeigen Deine Erfahrungen zu den Herausforderungen des Co-Parenting? Was sollte man unbedingt beachten bevor man sich darauf einlässt, wo liegen die Knackpunkte? Woran kann man allenfalls scheitern?
Vertrauen und Geld, das sind die wichtigsten Punkte. An beiden sehen ich immer wieder angehende Co-Eltern scheitern. Vertrauen kann man sich nur über eine gewisse Kennenlern-Phase erarbeiten und bei Geld sollte man einfach offen kommunizieren und sich genau überlegen, wie das ablaufen soll, wer was übernimmt und wie die rechtliche Lage ist. Da gibt es einiges zu beachten. Wenn der Vater die Vaterschaft anerkennt z.B., dann ist er unterhaltspflichtig, auch der Mutter gegenüber. Gut informiert sein, das hilft. Und miteinander reden.

Vielen Dank für Deine Offenheit in diesem spannenden Thema der CO-Elternschaft, liebe Jennifer! Und weiterhin alles Gute auf Deinem Lebensweg! 

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2 comments
  1. Super interessantes Interview! Tatsächlich hätte ich große Bedenken, ob das klappen kann, aber wenn man es nicht probiert, wird man es auch nicht erfahren, nicht? Daher: Hut ab für den Mut und weiterhin alles Gute!

    1. Dankeschön, liebe Dresden Mutti! 🙂 Ja, ich hätte vor allem Sorge, den richtigen zu finden. Jennifer hatte da echt Glück. Wenn es jemand ist, den man schon kennt, dann ist natürlich ein Grund-Vertrauen da und man kennt sich schon ein wenig… womöglich ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Co-Elternschaft eine Kategorie bei Online-Partnerbörsen wird… wobei ich denke, dass allein stehende Männer eher selten einen Kinderwunsch hegen… aber das Beispiel hier zeigt ja, dass das nicht stimmen muss 😉

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