Body Positivity Symbolbild Frauen im Bikini Illustration

Von Body Positivity und Vorbild-Funktion

In einer Gesellschaft, die von Selbst-Zweifeln profitiert, ist sich selbst zu mögen ein rebellischer Akt.

#bodypositivity – ein Hashtag, der eigentlich längst so selbstverständlich sein müsste, dass er in einer Zeit begraben werden hätte sollen in der es noch keine Hashtags gab… Trotzdem braucht es ihn offenbar (noch immer).

Mir scheint, dass unsere Körper so lange ein Thema bleiben werden wie wir körperlich existieren. Und Body Positivity wird eine mit viel Enthusiasmus betriebene Gegenbewegung bleiben. Mit Betonung auf „gegen“.

Nieder mit den Körper-Trends

Denn so lange immer wieder Thigh Gaps, Bikini Bridges, Collar Bones und was der Geier was für neue ultra-schlanke Körper-Trends gehypet werden, wird es nicht aufhören…

Ein Thigh Gap übrigens, der begehrte instagrammable Spalt zwischen den Oberschenkeln hat vor allem auch mit Anatomie, Muskeln und Knochenbau zu tun. Runter hungern führt also nicht zwangsläufig zum gewünschten Ergebnis…

Frau zeigt ihren nackten Bauch
Und was sagt Dein Bauch-Gefühl?

„Lieber Körper, ich bin dankbar, dankbar dafür, dass Du mir mit komplikationslosen Schwangerschaften und schnellen Geburten drei wunderbare, gesunde Kinder geschenkt hast. Ich bin dankbar, dass Du mir erlaubst, mich sportlich zu verausgaben und dass ich grösstenteils gesund bleibe obwohl ich Dich nicht unbedingt immer mit dem besten nähre… Ich habe oft an Dir gezweifelt. Schon als Kind. Ich wusste, etwas stimmt nicht. Ich bin nicht so wie die anderen. Nicht so schlank. Eine Brillenschlange wurde ich genannt. Das Asthma machte mir zu schaffen. Zwischen meinen Vorderzähnen klafft eine grosse Lücke, bis heute (nein, ich wollte dafür keine Spange). In der Pubertät hast Du Dich verändert. Ich habe zwei verschieden grosse Brüste. Die grössere vermochte es nie lange, meine Kinder zu stillen. Dafür die kleine. Fast 8 Jahre lang. Als ich am Gymnasium einst in der Schlange in der Mensa stand, drehte sich vor mir ein älterer Junge um und sagte: „kauf‘ Dir ein neues Gesicht!“ Diesen Satz habe ich nie vergessen. Ich wusste, dass ich keine Schönheit bin, aber das war wie ein Schlag ins, äh, ja, Gesicht. Ich begann, an jedem Zentimeter von Dir zu zweifeln. Hier zu viele Muttermale, die Nase zu gross, die Haut zu fettig, der Haar-Ansatz zu weit hinten. Nichts war schön, keiner wollte mit mir gehen. Dass das vielleicht nicht nur an Dir lag, lieber Körper, sondern auch daran, dass ich so schüchtern war, das kam mir damals nicht in den Sinn. Lieber Körper, Du bist ein guter. Du bist nicht perfekt, aber ein perfekter Körper garantiert nicht das gesamte Glück und den Reichtum auf Erden. Das weiss ich jetzt. Ich habe nur Dich, nur diesen einen. Und überhaupt beginnt gerade jetzt Dein Zerfall. Unaufhaltsam, Tag für Tag, erst nur langsam und kaum spürbar. Jeder Körper wird diesen Weg gehen, egal wie schön er ist. Die Falten kommen, die Knochen werden mürbe… Du wirst mich bis ans Ende begleiten, eine Hülle, die irgendwo einem Ideal entsprach und irgendwo nicht. Was zählt ist das, was in Dir steckt, verborgen und unsichtbar. Die Seele.“

Zu dick, zu unsportlich, schon als Kind

Bei mir begann es früh. Zu früh. Ich war noch ein Kind und ich malte gerne. Und ich weiss noch heute, dass ich mich oft mit einem überdimensional grossen Bauch gemalt habe, im Vergleich zu meinen schlanken Freundinnen. Ich weiss nicht, woher das kam. Wurde es mir irgendwann bewusst oder haben es erst andere zu mir gesagt?

Ich war nicht mega dick, aber eben auch nicht schlank. Und das setzte mir offenbar schon als Kind zu. Und ich erinnere mich auch, dass meine Eltern versuchten, zu regulieren, was und wie viel ich ass. Früher hiess es oft: „Iss doch wenigstens das Fleisch auf!“ Natürlich ass ich lieber die Nudeln auf.

Und irgendwann hiess es dann, „aber nur eines“, wenn es um Süssigkeiten ging. Kein Wunder: mein Kinderarzt attestierte mir nach dem Abstillen eine Adipositas, die sich über die Jahre nie wirklich besserte. Veranlagung? Überfüttert? Eine Kombination aus beidem? Ich habe keine Ahnung…

Ich verbündete mich mit meinesgleichen

Aber es prägte mich enorm, wie man an meinen Zeichnungen sah. Seitdem haderte ich mit mir, unsportlich war ich nämlich auch noch, hatte Asthma als Kind – ein Teufelskreis. Meine (sportliche) Lehrerin quälte mich mal einen Hügel hoch bis ich einen Anfall bekam. Sie dachte, ich sei einfach nur zu faul.

Die anderen waren immer schlanker und schöner und ich fand‘ zu ihnen keinen Draht, weil ich nicht mithalten konnte mit ihren sportlichen Aktivitäten und ihrem Selbstbewusstsein. Ich verbündete mich mit denen, die mir ähnlich waren. Ich wollte nicht das hässliche Entlein neben einer schönen Freundin sein, die alle Blicke erntete.

Mein Gewicht, mein Aussehen begleiteten mich Tag für Tag durchs Leben. Ich gab auch dem die Schuld, dass ich lange (bis zum 19. Lebensjahr) keinen Freund hatte, nur unglücklich verliebt war.

Von da an besserte es sich ein wenig. Ich wurde ja trotzdem geliebt. Vielleicht war ich bisweilen auch nicht mehr ganz so „adipös“. Und ich machte auch Sport, das Asthma hatte sich ausgewachsen.

Und irgendwann kamen die Kinder…

Und irgendwann kamen die Kinder und was ist nonstop Thema, wenn man schwanger ist oder geboren hat: der Körper. Der Bauch. Der Mom Bod. Wieder wird frau auf das eine reduziert. Siehe mein Beitrag über den Mom-Style, der keiner ist.

Während die einen kein Gramm zunahmen, eine Mini-Kugel schoben und nach der Geburt sofort wieder einen flachen Bauch hatten, trugen die anderen noch monatelang danach ihre Umstands-Jeans. Ja genau, ich gehörte da auch dazu.

Ich war unterdessen natürlich cooler geworden. Ich hatte ja einen Mann und ich hatte wundervolle Kinder. Trotzdem war der Impuls bald wieder da, abnehmen zu müssen. Das Stillen brachte eher das Gegenteil: ich hatte ständig Hunger.

Also wie schafft man das, wenn man jahrelang Schokolade als Trost, Belohnung und Nervennahrung eingesetzt hat und am liebsten Pizza und Pasta isst?

Problemzonen und Komplexe

Ich habe zwar zwischendurch mit Keto und einem Fokus auf LowCarb ein wenig an Gewicht verloren, aber in der Adventszeit kam leider die Wende mit zig Keks-Sorten. Die Macht, sie ist schwach in mir.

Ich gehe also weiter nur mit eingezogenem Bauch durch die Gegend, vermeide enge Kleidung um meine „Problemzonen“ zu kaschieren. Senke mein Gesicht, weil ich es nicht zeigen will. „Komplexe“ ruft es aus der Ecke. „Meinetwegen, nennt es, wie Ihr wollt“ denke ich.

Und als ob ich nicht selber schon genug mit mir hadern würde, kommen nun auch noch alle mit #bodypositivity #selflove und Co. um die Ecke. Und natürlich haben sie recht! Kein Körper ist perfekt und sogar diejenigen Frauen, die auf dem Laufsteg und in teuren Werbekampagnen für ihre makellose Schönheit bezahlt werden, finden sich zu dick.

Überhaupt: warum in aller Welt ist das Ganze so ein Frauen-Thema!? Klar, es gibt auch Männer, die hadern, aber die reden dann nicht darüber. Und die meisten Männer haben die Eigenschaft, sich toll zu finden, auch wenn sie es nicht unbedingt sind…

Nur beim Menschen muss die Frau beeindrucken

Vielleicht ein Relikt aus der Tierwelt, in der meist das Männchen das prachtvolle Exemplar ist, das die Weibchen beeindrucken muss? Warum hat der Mensch um Himmels Willen das Ganze umgedreht? Warum müssen wir Frauen und in Schale werfen, stylen, schminken und unsere (bestenfalls langen) Haare dramatisch in den Wind werfen?

Und jetzt können wir Frauen uns gegenseitig gut zureden, wie liebenswürdig wir alle sind, ganz unabhängig davon, welche Makel wir haben. Wir können dankbar sein für unsere wundervollen Körper, die schwanger wurden und uns neues Leben geschenkt haben.

Wir können im Sinne von Body Positivity unsere Dehnungs-Streifen und Kaiserschnitt-Narben huldigen, denn ohne sie hätten wir kein Kind. Wir können unsere schlaffen Brüste (nicht alle werden schlaff, auch das ist einfach nur Veranlagung) preisen, die unsere Kinder genährt haben.

Wir allein sind der Massstab

Wir können uns zuprosten und sagen: es gibt kein Ideal, wir selber sind der Massstab. Wir müssen aber auch nicht alles an uns mögen. Es ist legitim, sich über eine Brust-OP Gedanken zu machen.

Und dann kommen andere und sagen: „Doch. Du sollst Dich selbst lieben wie Deinen nächsten.“ Denn was hast Du vom Leben, wenn Du Deine Zeit und Energie darauf vergeudest, jemand anders sein zu wollen als Du bist. Schöner, schlanker, makelloser?

Also wird Bauch-Speck in Kuschel-Material umbenannt, denn die Macht der Worte ist gross. Der Input ist nicht schlecht, aber er klingt nach viel Arbeit (an uns selbst). Und nicht zuletzt geht es vielleicht auch um Gesundheit. Denn ich werde nicht jünger und die überschüssigen Kilos sind einfach nur Ballast…

Niemals, um anderen zu gefallen!

Trotzdem kann man Body positivity (vor)leben. Vielleicht gehört es dazu, stolz seine Achselhaare zu zeigen, die man nicht mehr rasieren will (und auch nicht muss, keiner kann einem das vorschreiben). Vielleicht gehört es dazu, mit knapp 40 auch mal bauchfrei zu trainieren? Stolz nackt in die Sauna zu sitzen?

Vielleicht gehört es dazu, sich so anzuziehen wie man möchte und nicht, um anderen zu gefallen? Und da kommen wir nochmals zum Massstab. Tatsächlich sollten wir selber der Massstab sein und niemand anders!

Nicht die schlanke Freundin, nicht der Mann, der sagt, er liebe jedes Pfund an uns, nicht der Arzt, der „adipös“ in die Akte schreibt, nicht Dein Kind, das sich so gerne in Deinen Schwabbel-Bauch drückt. Und nicht die Bekannte, die hinter Dir her raunt, dass Du Dich zu sehr gehen lässt. Nein, nur Du allein.

Akzeptanz ist auch eine Lösung

Und natürlich gibt es Dinge, die wir nicht ändern können (zumindest nicht ohne aufwendige Schönheits-OP) und da ist Akzeptanz eine sehr gute und gesunde Lösung. Frieden zu schliessen mit der schiefen Nase, die uns ausmacht, den zu kurzen Beinen oder den grauen Haaren, die man nicht mehr jede Woche färben will…

Aber es gibt Dinge, die können wir ein wenig beeinflussen und wenn die uns stören, dann können wir daran arbeiten. Aber nur wenn wir selber das wollen und nicht, weil wir das Gefühl haben, wir müssten irgendeiner „Norm“ entsprechen. @kakaoschnuten (Insta) schrieb mal so schön zum Thema Body Positivity:

Wenn mir der Bikini nicht mehr passt, dann hat der Bikini die falsche Grösse und nicht ich!

Ich arbeite und kämpfe also weiter daran und mit mir. Um hoffentlich irgendwann zufrieden und stolz sein zu können, auf mich und meine Disziplin. Es wird mich nicht zu einem besseren Menschen machen, aber ich würde mich besser fühlen. Stay tuned…

Body Positivity: Unseren Kindern Vorbild sein

Aber last but not least sind wir immer auch Vorbild, gerade wenn wir Kinder haben. Wir wollen unseren Kindern ja eigentlich mit auf den Weg geben, dass es egal ist, wie viel wir wiegen und wie wir aussehen. Man muss sich als Mutter also zweimal überlegen, ob man sagt, dass man aufs Dessert verzichtet weil man „schon fett genug“ ist.

Das wäre vermutlich ein falsches Zeichen! Noch ist es den Kindern recht egal, schätze ich. Bis jetzt wurde keins je gehänselt wegen seinem Aussehen. Und mein Grosser treibt bisweilen lustige Blüten, indem er mit zwei verschiedenen Socken-Paaren zur Schule geht, oder Arm-Stulpen (aus kaputten Socken) überzieht.

Ich möchte eigentlich verhindern, dass meine Kinder sich je um ihr Aussehen oder Gewicht kümmern müssen. Ich will nicht, dass sie je zweifeln. Leider liegt es wohl in der Familie (an den Genen?) und meine Kinder waren nie die schlanksten und sportlichsten.

„Nein“ zum zweiten Eis?

Und die Angst, jemand könnte sie hänseln, wenn sie nicht schlank genug sind oder nicht schnell genug rennen können, lebt mit. Angst ist bekanntlich ein schlechter Ratgeber und trotzdem tragen wir als Eltern die Verantwortung dafür, dass unsere Kinder nicht zu viel Ungesundes essen, zu dick werden und dann irgendwann benachteiligt sind.

Also sage ich schon mal „nein“ zu einem zweiten Eis und weiss danach nicht, ob das gut oder schlecht war…

Natürlich lebe ich gewisse Dinge vor: ich gehe zum Sport, bewege mich gerne draussen, ich esse auch mal Salat und Gemüse. Das mag‘ das eine Kind dazu bewegen, auch mal Salat zu probieren – super! Das andere Kind hingegen bleibt seit Jahren unbeeindruckt, hat aber eine Zeit lang meine Hanteln durch die Wohnung getragen.

Wir können die Welt nicht von heute auf morgen verändern

Kann ich mich verlassen, dass sie ihren Weg machen? Oder muss ich da stärker ein Auge drauf haben, reglementieren. Denn wie ich auch tendieren meine Kinder manchmal dazu, aus Langeweile zu futtern oder vielleicht auch aus Frust. Und trinken gewohnheitsmässig jeden Abend ihren Kakao. Ich kann mich also nicht auf eine gesunde Selbstregulierung verlassen.

Und hier musste wohlgemerkt nie ein Kind seinen Teller leer essen. Nicht für die Kinder in Afrika, nicht für die Oma, nein, wirklich nicht. Aber hier haben schon Kinder in der Silvester-Nacht erbrochen weil sie zu viele Chips assen…

Aller Body Positivity & Self Love Rebellion Rufe zum Trotz also stehe ich hier und bin unsicher, was zu tun ist. Weil, wie sehr wir uns hier und jetzt auch bemühen, die Welt zu verändern, ist es doch nicht von der Hand zu weisen, und wird noch lange so sein, dass das Aussehen und das Anderssein in der Gesellschaft Gewicht hat, sprichwörtlich.

Und ich will nicht, dass meine Kinder irgendwann für etwas benachteiligt werden, dass ihre Mama in ihrer Kindheit verk*ckt hat…

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2 comments
  1. […] einen Partner zu finden, macht mir weit mehr Sorgen als meine Oberweite. Und um das Thema mit etwas Body Positivity zu schliessen, kann ich noch folgendes […]

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