Seit bald zwei Jahren leben wir getrennt als Paar, aber gemeinsam als Familie unter demselben Dach, (längere) Auszeiten pro Elternteil inklusive. Damit sind wir längst nicht die einzigen, die dieses doch eher unbekannte Familienmodell der „Eltern-WG“ nach Trennung praktizieren.
Wie sehr die Zeit doch ins Land zieht, habe ich gemerkt, als ich dieses Update verfassen wollte. Kaum zu glauben, dass wir nun schon seit 2 Jahren so leben. Anfangs hatte ich noch befürchtet, dass es nur von kurzer Dauer sein würde.
Nur wenige Zeit nach unserer Entscheidung für dieses Modell, das offiziell noch keinen Namen hat, der wirklich passt, haben Johannes und Karo Kwella den Podcast „Eltern-WG“ über ihre praktisch identische Situation gelauncht, in dem sie ihre Erfahrungen teilen.
Es gibt mehr Eltern-WGs als man denkt
Ich war ganz aus dem Häuschen, zumal das Eltern-Paar auch für ihr bindungsorientiertes Familienleben bekannt war, eins ihrer Kinder auch sehr intensiv ist und Hochsensibilität ein Thema – viele Parallelen zu uns.
Seitdem freue ich mich auf jede neue Folge. Die Resonanz aus der Hörerschaft war gross, was darauf hindeutet, dass doch viel mehr Familien als gedacht dieses Modell leben. Auch wenn ich „Eltern-WG“ google, stosse ich auf viele, positive Erfahrungsberichte – toll!
Freuen tut mich das natürlich insbesondere deshalb weil viele (interessanterweise vor allem Männer) kritisch reagieren, wenn man erzählt, dass man noch mit dem Ex zusammen wohnt. Frauen sind wohl offener gegenüber nicht stereotypen Modellen.
Eher unbekanntes Modell: Eltern-WG nach Trennung
Die Vorteile einer Eltern-WG liegen auf der Hand, weshalb sich immer mehr dafür entscheiden, gerade in der heute vermehrt beziehungsorientierten Familienwelt. Nur „posaunen“ es viele nicht herum weil es doch immer wieder kritische Stimmen gibt. Darum bleibt das Modell ein „Underdog“.
Einen Namen gibt es wie erwähnt noch nicht dafür. Weil man das Zusammenleben mehrerer Eltern-Paare unter einem Dach auch „Eltern-WG“ nennt, genau so wie oft auch das Zusammenleben von Eltern-Paaren, die sich auseinandergelebt aber nicht getrennt haben, passt dieser Begriff eigentlich nicht so ganz.
„Nestmodell“ allerdings genau so wenig weil hier mindestens ein Partner ausgezogen ist. Wie bereits in meinem letzten Beitrag erwähnt, ist auch „Co-Elternschaft“ nicht ganz korrekt, weil diese Eltern nie ein Liebes-Paar waren.
Gefühl von Familie bleibt erhalten
Wie auch immer: für mich war und ist das Modell eine grosse Erleichterung. Auch wenn der Papa schon länger in einer neuen Beziehung steckt und entsprechend an manchen Abenden und am Sonntag länger weg ist, haben wir in meinen Augen eine gute Aufteilung gefunden, die natürlich auch Raum für Flexibilität lässt.
Und das wichtigste: Die Haushalts-Last ist fair aufgeteilt und das Gefühl von Familie bleibt erhalten. Der Alltag mit den Kindern und all den Themen, die täglich aufkommen, ist bei beiden präsent. Und wir haben uns auch heuer wieder dazu entschieden, im Sommer gemeinsam Urlaub zu machen.
Eine Herausforderung waren unsere Urlaube sowieso immer, wenn alle drei Kids mit dabei sind weil die Bedürfnisse so unterschiedlich sind (der Grosse würde lieber zuhause bleiben), aber schauen wir mal…
Vorteile einer Eltern-WG
- Haushalt kann aufgeteilt werden: Hier packt auch der Papa mit an, kauft ein, kocht, erledigt Reparaturen etc.
- (Kurzfristige) Absprachen sind einfacher wenn man sich regelmässiger sieht. Man kann sich schneller gegenseitig updaten und beide Elternteile sind nah dran an den Kindern
- Beide Eltern bleiben verlässliche Ansprechpartner für die Kinder da, wenn nicht gerade einer im Urlaub ist, keiner eine ganze Woche nicht verfüg- bzw. greifbar ist. Natürlich können die Grossen den Papa auch via WhatsApp erreichen, aber nichts geht über den persönlichen Kontakt.
- Wir werden eher als gleichberechtigte Partner wahrgenommen da beide arbeiten, wenn auch nicht in gleichem Masse, beide im Haushalt Aufgaben übernehmen und beide sich um die Kinder kümmern.
- Es gibt keine Vorschriften. Die meisten Eltern, die so leben, haben auch keine Eile mit der Scheidung, können also ihr Lebensmodell sehr flexibel gestalten.
Voraussetzungen für eine gelingende Eltern-WG
- Alle Parteien sind damit einverstanden (Eltern, Kinder sowie allfällige neue Partner).
- Die Eltern leben Kommunikation auf Augenhöhe und haben trotz Trennung eine respektvolle, bestenfalls freundschaftliche Beziehung zueinander.
- Man einigt sich auf einige grundlegende Regeln, die natürlich jede Familie für sich bestimmt, sei es bzgl. Haushalt, Betreuungszeit oder auch der Umgang mit neuen Partnern (Kennenlernen der Kinder etc.).
- Die entsprechenden Räumlichkeiten sind vorhanden (ein grosszügiges Haus eignet sich da natürlich deutlich besser als eine Wohnung da kaum ein Elternteil auf Dauer auf dem Sofa nächtigen will).
- Man bleibt im Austausch und ist auch gewillt, Anpassungen zu machen oder das Modell zu gegebener Zeit aufzulösen, sollte es nicht mehr funktionieren/für alle passen.
Risiken in einer Eltern-WG
- Das Zusammenleben nach Trennung braucht Fingerspitzengefühl. Haben nicht beide Partner damit abgeschlossen, können alte Gefühle wieder hochkommen oder Eifersucht entstehen, wenn ein Partner eine neue Beziehung eingeht. Man ist „näher“ am anderen dran, bekommt mehr mit, allenfalls auch Dinge, die man gar nicht miterleben will wie „Telefonate mit dem/r Neuen“.
- Mangelnde Kommunikation/sich nicht an Absprachen halten. Der eine trägt mehr Mental Load oder erledigt mehr im Haushalt etc. (So wie auch bei nicht getrennten Eltern)
- Sind die Kinder noch klein und verstehen wenig, besteht die Gefahr, dass die Trennung nicht als solche wahrgenommen, die Kinder die „freundschaftliche Beziehung“ als Norm für Beziehungen ansehen. Kommen neue Partner ins Spiel, wird es noch verwirrender. Hier empfiehlt sich fachliche Begleitung.
- Es ist ein Modell auf Zeit, ein Übergangsmodell. In den meisten Fällen ist unausweichlich, dass ein Partner irgendwann auszieht (in einigen Fällen kommen die Partner vielleicht wieder zusammen). Das kann belastend sein, weil man nicht weiss, wann dieser Zeitpunkt kommt und man sich irgendwie auch nicht darauf vorbereiten kann.
Habt Ihr auch Erfahrungen mit diesem Modell? Kommentiert gerne…
Super, dann habe ich jetzt auch einen Namen für die Wohnsituation. Wir leben seit 5 Jahren in der Eltern-WG. Unsere Kinder sind noch sehr jung (6 und 7 Jahre) und was anfangs eine Übergangssituation sein sollte, bis wir etwas neues finden und die Kinder sich daran gewöhnt haben, dass Mama und Papa kein Paar mehr sind, wurde irgendwann Norm. Wir waren vor unserer Beziehung schon beste Freunde und haben in einer WG gewohnt, deswegen klappt es wahrscheinlich auch so gut. Es erleichtert unser Leben natürlich enorm, jeder hi8lft weiterhin im Haushalt mit, wir können uns besser mit den Kindern absprechen und für unsere Kinder ist es ebenfalls eine Erleichterung. Wir hatten zwischendrin auch beide Beziehungen, was offen mit allen kommuniziert wurde und auch gut geklappt hat. Mein Mann kann super kochen und arbeitet viel im Home Office, kann also die Kinder immer abholen und Mittag machen, während ich gerne Ausflüge plane und häufiger putze. Außerdem liebt er Technik und repariert alles gerne selber (was ich natürlich super finde). Dafür hat er sich jetzt auch einen neuen Werkzeugkoffer bei allchemet.ch bestellt, auf den er wahnsinnig stolz ist (einen Mähroboter haben wir seit kurzem auch, haha). Wir ergänzen uns gut, die Kinder müssen nicht pendeln und wir haben gemerkt, dass wir als Freunde wirklich besser dran sind. Bis jetzt hat es gut geklappt und ich bin wirklich froh drüber. Ob sich irgendwann mal etwas ändern wird kann gut sein, aber jede Familie muss für sich finden was am besten klappt!
Super, das freut mich sehr zu hören, wie gut es für Euch passt und wie harmonisch es funktioniert… 🙂 Auch bei uns läuft es wirklich besser als früher…