Nicole (Nici) Heer ist in der Schweiz schon eine CrossFit-Veteranin. Bereits 2014 startete die von klein auf sportliche Nici, erst noch zum Ausgleich, mit CrossFit, kann also auf 10 Jahre Erfahrung zurückblicken. Die Polizistin ist seit 2021 die „fitteste Schweizerin“ und bringt Beruf und Spitzensport unter einen Hut.
Nici, Du hast Dich heuer zum ersten Mal dafür entschieden, die Open im Team zu bestreiten. Rechnest Du Dir so mehr Chancen aus, es an die Games zu schaffen oder gab es (noch) andere Gründe für diese Entscheidung?
Nicht ganz, es ist das 2. Mal. Letztes Jahr war ich die Aushilfe vom Team CrossFit Oslo Navy Blue. Hätten sich Lena oder Ingrid verletzt, hätte ich bis zu den Games einspringen können. Ich habe mich letzte Saison schon dazu committed. Dieses Jahr, mit dem Nachfolger Team Navy Blue, möchten wir es ebenfalls wieder zu den Games schaffen. Und ganz weit vorne mitspielen. Warum habe ich mich dafür entschieden?
Ich gebe mir ein Jahr Zeit.
1. Weil ich die Möglichkeit bekommen habe, mit extrem starken Atletinnen und Athleten trainieren zu dürfen. Hier in Oslo ist es einfach nur wunderbar. Das Level ist so hoch! Ich geniesse es immer wieder, hier sein zu dürfen. Ein weiterer Grund ist, dass ich aus einer Verletzungsphase komme. Ich kann in so kurzer Zeit meinen Rückstand beim Kraft und Skill nicht wettmachen. Ich bräuchte bei den Semis wohl sehr viel Glück was die Workouts anbelangt, dass ich es als Individual Athletin schaffen könnte. Deshalb gebe ich mir „ein Jahr Zeit“. In diesem Jahr kann ich viel lernen und natürlich weiterhin an meinen Schwächen arbeiten. PS: Dem ganzen hätte ich nie zugesagt, wenn nicht alle vier gleich committed wären. Wir haben ein sehr grosses und gemeinsames Ziel.
Du bist aktuell in Oslo, um mit Deinem Team zu trainieren. Hast Du Dir dafür eine Auszeit im Job genommen oder wirst Du zwischenzeitlich auch wieder zurück in die Schweiz kommen oder wie hast Du das geplant?
Ich arbeite ja seit einem Jahr „nur noch“ 50%. Mit Frei- und Ferientagen geht das super auf. Ich war im Januar eine Woche hier, nun zwei Wochen für die Open. Im März wieder eine Woche für die Quarters und dann zwei Wochen Semifinal-Prep. Dann schauen wir weiter. Mein Arbeitgeber unterstützt mich, wo er kann. Meine Ziele wurden klar kommuniziert. Falls ich absolut im Minus wäre, kann ich die Stunden nach der Saison locker aufholen.
Kriger hat eine Menge toller Athleten und starke Teams – was macht die Norweger so erfolgreich?
Was Norwegen erfolgreich macht, ist die Community in Oslo. Man kommt hier her WEIL man zu den High-Level-Athleten gehören will. Neben ganz normalen Klassen, welche rund um die Uhr laufen, gibt es morgens von 8-10 Uhr und nachmittags von 13-15 Uhr Open Gym. Die Halle ist voll. Man trainiert miteinander und nicht gegeneinander. Die Coaches sind vor Ort und helfen, wo sie können.
In Norwegen wird Gesundheit gross geschrieben.
„Normale Members“ sehen das. Sie wollen auch einen gewissen Fitnessstandard erreichen, denn sie haben ihn vor der Nase und das jeden Tag. Weiter finde ich, dass Norwegen ein sehr sportliches Land ist. Es gibt kaum Menschen, die sich „schlecht“ ernähren, rauchen oder übergewichtig sind. Gesundheit wird hier gross geschrieben. Es ist ein Lifestyle. Kristin Holte ist bekannt, CrossFit ist bekannt, Functional Fitness ist bekannt. Dies alles trägt halt runtergebrochen auf das Programm viel bei. Die Coaches bilden sich stets weiter und das Programm ist auch sehr überlegt. Es steht IMMER dabei, um was es in einer Session geht. Auf was man achten sollte. Sachen, die man sich wohl als Athlet nicht überlegt. Das Programm ist weiter zugeschnitten auf die Levels. Und die Semifinal-/Games-Athleten haben individuelles Coaching. Einzelne Workouts aus dem Programm machen sie jedoch mit.
An welchen Wettkämpfen möchtest Du heuer teilnehmen?
Keine Ahnung. Swiss und German Throwdown. Dubai wäre mal grossartig. Aber dazu werde ich mich jeweils spontan entscheiden. Vorrang hat jetzt die CrossFit-Saison. Somit: Semifinals, Games.
Was macht Dich, die im Gegensatz zu anderen nicht Vollzeit-Sportlerin ist, zu einer solchen Ausnahme-Athletin?
Ich glaube, was mich erfolgreich macht, sind meine intrinsische Motivation, die Disziplin und der Ehrgeiz. Egal ob Nachtdienst oder nicht, ich stehe morgens auf und freue mich aufs Training. Ich will aus jedem Training rausholen, was geht. Das habe ich immer schon so gemacht. Früher halt mit „weniger Fokus“ auf Ziele. Ich liebe es einfach, mich zu bewegen und Sport zu machen. Ich will immer die Beste sein. CrossFit ist sehr ehrlich was das betrifft. So kann man auch immer weiterguseln.
Die Schweiz hatte noch nie so viele Athleten auf einmal, die ganz vorne mitspielen.
Ist Deiner Meinung nach bzgl. Sponsoren in der Schweiz CrossFit bereits anerkannter oder ist es immer noch schwer, Unterstützung zu bekommen?
Ja. Schweizer Unternehmen sind hier nicht wirklich offen, bzw. ist CrossFit / Functional Fitness / Weightlifting nicht bekannt. Auch wenn man Vize-Weltmeisterin ist. Das interessiert leider niemanden. Meist wird halt nur Rudern und Skifahren unterstützt.
Das ist wirklich schade. Hoffentlich ändert sich das bald. In der Schweiz gibt es mittlerweile einige starke CrossFit-Frauen. Siehst Du die anderen als Konkurrentinnen oder Kolleginnen? Wie ist das Verhältnis untereinander?
Leider – und das ist der Unterschied zu Norwegen, trainieren wir alle irgendwo und sehen uns nicht. Ich habe in der Vergangenheit immer versucht, mit Jan (Matiaska) zu trainieren. Jetzt bin ich oft in Bern, bei Colin (Bosshard). Mit Aline (Wirz) sollte ich es bald auch schaffen. Da aber jeder seine eigenen Routinen/Arbeitstage/Studium etc. hat, ist es nicht ganz einfach. Ich sehe die anderen als Kolleginnen und Kollegen. Es ist doch einfach nur sehr toll, dass wir gerade so gut sind. Ich glaube die Schweiz hatte noch nie „so viele Athleten auf einmal“, die ganz vorne mitspielen. Weiter muss ich unterstreichen, dass ich oft neidisch bin, wie sich die beiden Turnerinnen bewegen. Das werde ich nie können. Aber ich finde es bewundernswert, was andere Athleten und Athletinnen mitbringen. Man kann nur voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen um noch besser zu werden! Wenn man den Erfolg einander nicht gönnen kann, ist das sehr schade!
Mit Deinem Partner Matheo hast Du schon Seite an Seite Wettkämpfe bestritten. Kann er noch mit Dir mithalten?
Matheo wird oft unterschätzt! Er ist nicht nur ein „CrossFitter“, sondern ein Allrounder. Er ist ein Athlet. Ausser Ballsportarten kann er alles. Ob er mit mir mithalten kann oder nicht, bei ihm weiss ich, dass er 200% für mich gibt. Egal ob im CrossFit oder nicht.
Ich gönne mir wieder mehr Süssigkeiten.
Gibt es eine Schwäche, an der Du noch arbeiten willst?
Ganz viele!! Ich bin immer noch zu schwach im Vergleich zu meinen Konkurrentinnen. Weiter muss ich meine Skills verbessern. Auf den Händen läuft noch nicht alles so geschmeidig wie auf den Beinen! Die Entwicklung des CrossFit Zirkus spielt mir absolut nicht in die Karten! Ausser Seilspringen, da kann kommen was will! 😀 Ich hoffe ja, dass wir eines Tages mit Bällen jonglieren müssen. Mit den Füssen, auf einer hohen Box!
Früher warst Du bekannt für Schoggibrötchen und Red Bull, heute achtest Du wie alle Top-Athleten sehr auf Deine Ernährung. Gönnst Du Dir trotzdem noch ab und zu etwas?
Ich finde gerade wieder zurück und gönne mir mehr Süssigkeiten, vor allem vor und nach dem Training. Das braucht der Körper. Da geht’s aber nicht um’s Gönnen, sondern um die richtige Ernährung. Ich würde sagen mein Essverhalten ist mittlerweile gut und sehr gesund. Ich esse, worauf ich Bock habe und habe intus, wann ich was brauche. An alle, die sich nichts gönnen: Selber schuld. Denn für qualitativ gutes Training braucht es eine qualitativ guten und gesunden Körper. Wenn man alles perfekt machen will oder zu streng ist in gewissen Sachen, wird man früher oder später nicht gut trainieren. Das A und O um im Sport gut zu sein, ist gutes Training. Gute Leistung. Alles andere ist Nebensache und kann zu besserer Leistung verhelfen. Aber es schleckt das Training nicht weg!
Welches Movement begeistert Dich am meisten und welches schreckt Dich ab, wenn Du es im Trainingsplan siehst?
Pha, ganz ehrlich… ich freue mich auf ziemlich alles. Die verschiedenen Kombinationen und Intensitäten sind so spannend… Ich muss hier immer aufpassen, dass ich nicht plötzlich all die coolen Workouts, welche auf Social Media rumgeistern, auch noch machen will! 😀
Haha, das kenne ich! Lieben Dank, Nici Heer, für das tolle Interview!
Du willst mehr über Nici Heer erfahren oder sie auf ihrem Weg zu den CrossFit Games unterstützen? Auf Ihrer Website findest Du u.a. Infos zum Sponsoring und dem „100er-Club„.
Bilder: Nici Heer