Celia Zimmermann und Sina Härtel CrossFit Schweiz

„Früher war ich oft ein grosses Nervenbündel“

Ich weiss nicht mehr genau, wen ich zuerst „entdeckt“ habe, Sina oder ihre Mama, die ich hier ebenfalls schon interviewt habe, vielleicht auch beide gleichzeitig, denn sie trainieren nicht nur zusammen, sie haben auch schon gemeinsam Wettkämpfe bestritten und sind ein tolles Team. Sina widmet ihrem Training viel Zeit, konnte sich bereits einige Podest-Plätze im CrossFit sichern und ich denke, wir werden noch viel von dem jungen Sport-Talent hören und sehen…

Sina Härtel CrossFit SchweizSina, Du hast 2018 durch Deine Mama zum CrossFit gefunden und hattest dank Deiner sportlichen Vergangenheit im Kunstturnen und Sportklettern auf Spitzenniveau eine tolle Basis um auch in diesem Sport durchzustarten. Im Ernst: gab es irgendetwas, das Dir anfangs Mühe bereitet hat?
Natürlich gab mir meine Vergangenheit als Kunstturnerin und Sportkletterin eine sehr gute Basis für das CrossFit. Vor allem das Erlernen der Gymnastic-Movements fiel mir damals leicht – aber auch hier konnte ich zu Beginn nicht einfach alles, denn CF-Gymnastics und Kunstturnen sind doch auch zwei verschiedene Paar Schuhe. Und da im Sportklettern ein sehr tiefes Körpergewicht gefordert wird und die Beine so schlank und leicht wie möglich sein sollten, hatte ich zu Beginn grosse Kraftdefizite in meinen Beinen. Ich erinnere mich an meine erste WOD-Stunde, als ich gleichviel Gewicht im Strict Press sowie Back Squat bewegen konnte. Dafür war und ist die Griffkraft bei mir nie ein Problem.

Das Einzige, was im CrossFit zählt, ist, was mein Körper und Kopf fähig sind zu leisten und das treibt mich jeden Tag an.

Denkst Du, dass Du mit CrossFit nun DIE Sportart gefunden hast, die Du für die nächsten Jahre trainieren möchtest oder schliesst Du nicht aus, irgendwann wieder zu wechseln?
Ja, ich denke ich habe mit CrossFit meine Sportart gefunden. Was mir beim CrossFit, neben seiner Vielfältigkeit, am besten gefällt, ist, dass ich mich nur über meine Leistung messen und vergleichen kann. In diesem Sport herrschen keine Körperbild-Idealvorstellungen. Ich bin nicht mehr von der Selektions-Willkür eines Trainers abhängig (hier habe ich sowohl beim Kunstturnen als auch beim Sportklettern so viele Ungerechtigkeiten erlebt!). Das Einzige, was im CrossFit zählt, ist, was mein Körper und Kopf fähig sind zu leisten und das treibt mich jeden Tag an.

Sina Härtel CrossFit SchweizDu arbeitest noch zu 60% als MPA und coachst in Eurer Box. Hattest Du schon immer zugunsten des Trainings ein reduziertes Pensum und ist es finanziell für Dich gut machbar so?
Ich hatte schon immer einen etwas speziellen Alltag. Früher als Kunstturnerin durfte ich in der Primarschule regelmässig zugunsten meines Trainings gewisse Stunden fehlen. Später als ich geklettert bin, habe ich das Sportgymnasium in Zürich besucht und konnte mich deswegen voll und ganz auf meine Trainingseinheiten konzentrieren.

Als ich mich dann mit 16 Jahren dazu entschieden habe, mit dem Klettern aufzuhören, begann ich meine Lehre als MPA. Das war das erste Mal, dass ich 100% meiner Zeit in eine Ausbildung investierte. Nach Abschluss meiner Lehre und vier Jahren CrossFit wurden meine sportlichen Ambitionen grösser und ich reduzierte mein MPA-Pensum um 20%.

Mein Ziel ist es, 2025 an den Semi-Finals teilnehmen zu können.

Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich auch so nicht auf das Trainingsvolumen komme, welches ich mir wünschte. Deswegen entschied ich in Absprache mit meinem Mann Marco für ein 60%-Pensum als MPA und zusätzlich bin ich in einem15%-Pensum als Coach im CrossFit Züri Oberland angestellt. Ohne die Unterstützung von Marco würde diese Lösung allerdings finanziell nicht funktionieren und ich habe das grosse Glück, einen sehr grosszügigen und unterstützenden Arbeitgeber zu haben.

Welche Ziele hast Du im CrossFit?
Mein grosses Ziel ist es, im Jahr 2025 an den Semi-Finals teilnehmen zu können. Dieses Ziel treibt mich an und motiviert mich, jeden Tag 100% zu geben. Ich denke, jeder Athlet, der erfolgreich sein will braucht ein Ziel, worauf er hinarbeiten kann.

Sina Härtel CrossFit SchweizMal sehen, ob Du dieses Ziel vielleicht schon heuer erreichst? Wenn nicht, werden wir Dich sicher an einigen Schweizer Wettkämpfen wieder vorne miterleben dürfen. Du bist, wie viele Profis, bei Brute Strength im Coaching – welchen Anteil hat das Coaching an Deinem Erfolg?
Seit Oktober 2023 werde ich nun von „Brute Strength“-Coach Daniel Condon betreut. Durch seine Unterstützung und seinen Trainingsansatz habe ich in den letzten Monaten unglaubliche Fortschritte erzielt. Manchmal bin ich davon selbst etwas überrascht.

Das ganze letzte Jahr hatte ich mit einer starken Patella-Sehnen-Entzündung zu kämpfen. Als Daniel mein Coach wurde, bekam ich die Schmerzen – dank eines sauberen Aufbautrainings – endlich wieder in den Griff. Zudem gibt er mir sehr viel Sicherheit und Struktur, er ist immer erreichbar, gibt zu jedem Training ein Feedback und nimmt sich auch Zeit, meine Trainings persönlich vor Ort zu begleiten.

Wenn ich nervös bin, bin ich nicht mehr gleich leistungsfähig.

Früher war ich vor wichtigen Workouts oft ein grosses Nervenbündel. Jetzt weiss ich vor jeder Quali, wie mein Warm up aussieht und ich bekomme von Daniel eine klare Strategie (Pausen, Grösse der Sets usw.) für das Workout. So kann ich meine Nervosität zur Seite legen, was für mich matchentscheidend sein kann. Denn wenn ich zu nervös bin, bin ich nicht mehr gleich leistungsfähig.

Das Thema kenne ich leider auch zu gut! Wie sieht Dein Training ungefähr aus?
Ich trainiere acht Einheiten pro Woche mit jeweils zwei Rest Days. Jede Einheit dauert zwischen zwei bis drei Stunden. Momentan stehen bei mir die Quarterfinals im Fokus.

Du bist sehr ambitioniert. Gibt es auch Tage, an denen es nicht so gut läuft, Wettkampf-Workouts, die besser hätten laufen können? Falls ja, wie gehst Du damit um?
Natürlich habe ich Tage, an denen ich nicht gleich viel leisten kann wie an anderen. Ich versuche dann, nicht allzu streng mit mir selbst zu sein, auch wenn mir das oft sehr schwerfällt. Da sind Marco und auch meine Familie ein guter Anker. Bei ihnen kann ich anlehnen und auch mal nicht die starke, ehrgeizige Sina sein. Was für mich jedoch nie in Frage kommt, ist, eine Trainingseinheit auszulassen. Ausser vielleicht, wenn ich mit Fieber im Bett liege.

Celia Zimmermann und Sina Härtel CrossFit SchweizDu trainierst Seite an Seite mit Deinem Mann und Deiner Mama – manchen wäre das „zu viel“, aber ich glaube das macht Euch als Familie und Individuen noch stärker, gell?
Für mich ist es das Beste, was es gibt. Was gibt es Schöneres, als mit jenen Menschen, die man am meisten liebt, das auszuüben, was man am liebsten tut? Wäre das nicht so, würde mir ein grosser Teil fehlen.

Das klingt wirklich schön. Hast Du im CrossFit ein spezielles Vorbild?
Wenn ich im CrossFit-Zirkus eine Athletin wählen müsste, wäre das sicher Dani Speegle. Sie ist wahnsinnig stark. Was sie für Gewichte bewegen kann, ist einfach unglaublich. Das beeindruckt mich sehr. Und ich finde sie vor allem sehr lustig.

Im Ausdauerbereich habe ich noch viel aufzuholen, um vorne mithalten zu können.

Aber mein grösstes Vorbild ist meine Mama (Celia Zimmermann). Ich möchte mich später auch mit einer solchen Leichtigkeit im CrossFit aber auch im Leben bewegen, wie sie.

Dani Speegle ist mir auch sehr sympathisch, und Deine Mama ist definitiv ein Vorbild. Gibt es noch Schwächen, an denen Du arbeitest?
Ja, ich habe eine sehr grosse Schwäche im Ausdauerbereich, was das Rennen, Rudern und Velofahren betrifft. Sobald ich eine längere Zeit auf einem Gerät verweilen oder eine lange Distanz rennen muss, werden meine Beine so sauer, dass ich stetig langsamer werde – ob ich will oder nicht. Da habe ich noch viel aufzuholen, um vorne mithalten zu können. Sicherlich fehlt es mir an einigen Ecken auch noch an Kraft. Da bin ich aber schon viel besser geworden.

Ein Movement, das Du liebst und eins, das Du problemlos streichen könntest?
Sobald ich in einem Workout turnen kann, bin ich glücklich. Egal ob an den Ringen, an der Stange oder auf den Händen. Gut verzichten könnte ich auf das Rudergerät oder auf das Assault Bike. Sobald diese zwei Geräte in einem Workout vorkommen, ertappe ich mich oft beim Jammern.

Ich schätze mal, das können viele nachvollziehen, liebe Sina… 😉 Vielen Dank für das tolle Interview & mach‘ weiter so!

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