Irene Haibucher durfte ich kennenlernen als sie via Drop-in einmal bei uns in der Box trainierte. Da die meisten Mitglieder bei uns eher jünger sind, war ich fasziniert davon, mal eine ältere und erfahren Athletin „in Aktion“ zu erleben. Und dann auch noch so eine starke, die an Wettkämpfen Top-Platzierungen erreicht.
Irene, Du bist gerade in den Qualifiers für den French Throwdown, an dem Du bereits letztes Jahr erfolgreich teilgenommen hast. Wie läuft es?
Irene Haibucher: Bisher habe ich Qualifier immer so nebenher während dem Training absolviert. Das Pensum war schon ein wenig reduziert, aber nicht mega. Dieses Jahr war es anders. Vom 22.–28. März hatte ich nur die Qualifier im Programm. Ich konnte sie dann machen, wann ich wollte und so oft ich wollte. Also, einfach bis ich zufrieden war natürlich! 😂 Das hat verschiedene Gründe: Im letzten halben Jahr war ich mehrmals erkältet und bei der letzten Erkältung setzte ich mein Training zwei Wochen aus, um mein Immunsystem wieder hochzufahren. Als dann die Open kamen, meinte mein Coach Moaz, es wäre besser, wenn wir sie dieses Jahr ausfallen lassen und uns voll und ganz auf den French Throwdown konzentrieren. So gaben wir alles, dass ich für diesen Qualifier ready bin.
Am 22. März, Freitag, kamen die 3 Workouts heraus und am Samstag machte ich das Erste. Es lief mir unglaublich gut, leider hat etwas mit dem Filmen nicht geklappt, so musste ich es nochmals machen. Bei so einer Qualifikation muss man das Workout immer filmen und hochladen. Dann kontrolliert der Organisator, ob alles gut ausgeführt ist, sonst gibt es Abzug. So ist es mega wichtig, dass das Video perfekt gemacht ist.
Am Mittwoch, 27. März, machte ich das letzte Workout nochmals und dann war es für mich abgeschlossen. Ich bin zufrieden. Ich habe aus jedem Workout das Beste aus mir herausgeholt. Ich liebe es, wenn es schwere Gewichte hat, da bin ich stark. Wenn es sehr Cardio-lastig ist, bin ich nicht so schnell, weil ich schnell ausser Atem gerate und es mir den Puls so hochjagt. Ich habe im letzten Jahr sehr an meiner Atmung gearbeitet und ich habe wirklich einen Unterschied gemerkt, dass ich die Atmung besser kontrollieren kann und so bessere Leistung abliefern kann. Das ist toll!
Resultat: Schlussendlich wurde ich 9. in meiner Kategorie und 8 Athletinnen kamen weiter. So habe ich es dieses Jahr nicht geschafft. Es ist für mich ok. Ich habe alles gegeben und es hat nicht gereicht. So ist das Leben manchmal.
Sind die Chancen in Deiner Alters-Kategorie grösser, da es nicht so viel Konkurrenz gibt?
Dieses Jahr waren wir am French Throwdown 20 Athletinnen in meiner Kategorie (55+), wovon 8 weiterkommen. Also kann man schon sagen, dass die Chancen grösser sind als in jüngeren Kategorien, wo es meistens sehr viele Athleten gibt. Auf der anderen Seite gibt es nicht so viele Wettkämpfe in Europa, wo es die Kategorie 55+ gibt. Ich kenne den Athens Throwdown, EMT (European Master Throwdown) und den French Throwdown. Dann ist etwa fertig. Bei Swiss Functional Fitness ist die letzte Kategorie 50+. Das macht es schwer für mich, mitzuhalten, da ich dieses Jahr 59 werde. Da merkt man den Altersunterschied schon. Aber egal, ich bin einfach happy, mich für 1-2 Wettkämpfe im Jahr zu qualifizieren und geniesse es, an den Wettkampf zu reisen. Letztes Jahr war ich in Athen und in Paris. Das waren tolle Erlebnisse und ich habe sehr viel gelernt.
Hast Du in Sachen CrossFit ein Vorbild?
Eigentlich nicht wirklich. Ich folge einfach mehreren Games-Athletinnen auf Instagram. Annie Thorisdottir gefällt mir sehr gut. Ihre Einstellung, ihre Art, wie sie den Sport und ihre Familie lebt. Sie kommt für mich authentisch rüber, das finde ich toll. Ein Vorbild wäre jemand in meinem Alter, aber die Frauen in meinem Alter sind nicht so mega auf den Sozialen Medien unterwegs. Vielleicht ab und zu.
Wie sieht Dein Trainingspensum aus?
Ich habe jetzt fünf Jahre mit meinem Coach, Moaz El Sayed, zusammengearbeitet, der mein Programming gemacht hat. Zusammen haben wir herausgefunden, dass es für mich am Besten funktioniert, wenn ich drei Wochen Vollgas trainiere und dann eine Woche Deload habe. In den Vollgas-Wochen trainiere ich am Morgen jeweils 2-3 Stunden. Meistens zu Hause im Wintergarten. In der Deload-Woche ca. 1-1.5 Std. mit leichten Gewichten, Mobility und Stability. Am Dienstag treffe ich mich regelmässig mit meiner Freundin Lilian in Winterthur. Da trainieren wir zusammen in der Crossfit Box vom Gleis 10 Oberi oder DT. Sie macht dann mein Programm mit. Ich würde gerne ab und zu in eine Klasse gehen, aber Moaz schneidet mein Programm so genau auf mich zu, dass das nicht möglich ist. Er fährt mich körperlich auch immer voll am Limit, da kann ich nicht noch zusätzlich Trainings machen. So bin ich es gewohnt, alleine zu trainieren und ich liebe es.
Breaking News: Vor kurzem habe ich entschieden, dass ich nun nach fünf Jahren einen neuen Coach möchte. Ich habe es geliebt, mit Moaz zu arbeiten und ich verdanke ihm unglaublich viel. Er ist ein toller Coach, der mich dahin gebracht hat, wo ich heute stehe. Ich bin ihm von ganzem Herzen dankbar für alles, was er mir beigebracht hat.
Ich habe Benny Roser (Inhaber von Crossfit Lörrach) gefunden und ab Mai werde ich unter seiner Leitung trainieren. Ich erhoffe mir neuen Input, neue Reize und dass ich weiterhin viele Fortschritte mache. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit und auf all das Neue, was kommen wird.
Arbeitest Du noch?
Ich bin selbständig und bin Inhaberin einer kleinen Druckerei, in der ich Layout/Grafik mache und kleinere Aufträge drucke. Ich habe nicht immer so viel Arbeit. Wenn ich welche habe, arbeite ich, wenn ich keine habe, treffe ich mich mit Freundinnen und geniesse das Leben. Für mich sind Beziehungen unglaublich wichtig. Mit einer Freundin Kaffee trinken und austauschen, einander gegenseitig ermutigen im Leben, da wo wir dran sind. Oder einander herausfordern, weiterzukommen, Dinge auszuprobieren. Für mich ist mein Glaube an Gott und mein Leben mit Jesus super mega wichtig. Viele meiner Freundinnen sind auch auf diesem Weg und wir erzählen einander, was wir mit Jesus erleben, das ist so ermutigend und inspirierend. Das liebe ich sehr!
In der Druckerei arbeite ich vielleicht 20% im Durchschnitt. Wenn man selbständig ist, kann man das nicht so genau sagen. 😊 Ich bin sehr flexibel und habe keine fixen Öffnungszeiten. Die Vormittage sind immer fürs Training reserviert, so nehme ich Termine nur am Nachmittag an.
Was tust Du für die Regeneration?
Die ist für mich super mega wichtig. Am Abend nehme ich mir regelmässig Zeit, um im ganzen Körper mit der Blackroll die Faszien zu rollen. Ruedi, mein Mann, und ich haben dazu extra mal einen Kurs gemacht. Das war super spannend. Ich habe auch die vibrierende Blackroll, die ist super! Danach dehne ich. Ich schaue auch, dass ich 8-10 Stunden Schlaf bekomme. Das ist mir total wichtig. Ich denke immer: in meinem Alter will ich alles machen, dass ich gute Leistung bringen kann. Wenn das viel Schlaf ist, „so be it“. Dann richte ich mir das ein.
Einen Monat, nachdem ich mit Crossfit angefangen hatte, machte Philipp, ein Freund von uns, für mich meinen ersten Ernährungsplan. Später hat mein Coach mir damit geholfen und seit über einem Jahr betreut mich Marco von kraftplatz.gmbh. Es ist unglaublich, was die Ernährung ausmacht. Ich habe im letzten Jahr 9 kg Masse aufbauen können und so im Training sichtbare Fortschritte gemacht. Ich halte mich an den Plan, ausser am Mittwoch und am Samstagabend erlaube ich mir, das zu essen, worauf ich Lust habe. Den Rest der Zeit esse ich nach Plan. Ich bin es völlig gewohnt, Dinge abzuwägen. Ich merke auch, wenn ich Pommes esse oder Pizza, dass ich dann weniger gut schlafe. Da ich Donnerstag und Sonntag Ruhetag habe, passt das mit Mittwoch und Samstag perfekt. Da hindert es meine Leistung im Training nicht. Glaub. 🤪 Marco hat mir aber auch beigebracht, dass ich frei bin, Ausnahmen zu machen. Essen geniessen. Ich sage mir einfach, um meine Ziele zu erreichen, esse ich nach Plan. Es kostet mich nichts, ich bin es mich einfach gewöhnt und ich fühle mich super wohl in meiner Haut und habe auch sehr viel Energie. Ich sage immer, ich esse nicht für den Genuss, ich esse für die Leistung. Das funktioniert für mich.
Du warst schon immer sportlich, fiel Dir dadurch der Einstieg ins CrossFit leichter?
Ich glaube schon. Als ich jünger war, habe ich viele Sportarten ausprobiert. Wenn ich dann nicht mehr weiterkam, fand ich es langweilig und machte etwas Neues. Ich begann mit Korbball, da war mein Handycap, dass ich auf einem Auge nichts sehe, da habe ich den Korb nie getroffen. Dann kamen Leichtathletik, Fussball, Body Building, Surfen, Karate, keine Ahnung, was sonst noch… Wir waren 12 Jahre lang in Afrika, da war das Angebot limitiert, da habe ich einfach 5-6x die Woche ein Aerobic-Video gemacht. Oder Step oder Taebo, was ich gerade hatte und worauf ich Lust hatte.
Ich liebe Crossfit, weil man immer dazu lernen kann: Wenn man mal alle verschiedenen Movements kann (was bei mir noch nicht der Fall ist – mir fehlen u.a. noch der Bar & Ring Muscle Up, Strict HSPU), kann man schneller und stärker werden. Ich glaube, von dem her wird mir im Crossfit nie langweilig.
Was hast Du für Ziele in diesem Jahr oder auch in Zukunft?
Dieses Jahr war es mein Ziel, mich für den French Throwdown zu qualifizieren, was ich leider nicht geschafft habe. Dann finden noch die Swiss Functional Fitness Meisterschaften statt. Wenn ich mich da für die WM qualifizieren könnte, das wäre mega.
Schlussendlich ist es mein Ziel, mich eines Tages mit Gottes Hilfe für die Games zu qualifizieren. Dafür trainiere ich und dafür gebe ich alles.
Wie unterstützt Dich Dein Umfeld?
Meine wichtigste Unterstützung ist mein Mann, Ruedi. Er steht voll hinter mir. Er und unser ältester Sohn haben mir z.B. ein 6-Meter-Rack in den Garten gebaut, so dass ich Rope Climbs machen kann. Oder vor kurzem hat Ruedi mir eine Weightlifting-Plattform gebaut, die ich alleine im Wohnzimmer aufbauen kann und somit die schweren Gewichte auf den Boden droppen kann. Er findet es toll, dass ich Crossfit mache. Das ermutigt mich sehr. Er hilft mir auch bei den Qualis und kommt mit zu den Wettkämpfen. Er ist mein ruhiger Pol und ohne ihn könnte ich mir gar nicht vorstellen, das zu machen, was ich mache.
Mein Glaube an Jesus ist mir total wichtig und die Basis von allem. Ich habe ein Logo kreieren lassen: „All in for Jesus“. Das trage ich auf meinen T-Shirts. Ich habe auch neun Frauen, die gerne regelmässig für mich beten. Ich kann ihnen schreiben, was bei mir dran ist und sie beten für mich. Das schätze ich sehr.
Dein liebstes Movement/ein Movement, das Du gar nicht magst?
Mein Coach Moaz hat mir seine Leidenschaft zum Gewichtheben weitergegeben. Es ist unglaublich, was er mir beigebracht hat. Ich liebe den Snatch und den Clean & Jerk. Es war (und ist immer noch) sehr viel Arbeit, aber jetzt, wo es funktioniert, macht es super Spass!
Es gibt eigentlich kein Movement, das ich nicht mag. Ich will ja alles gut können, da kann ich mir diese Einstellung nicht leisten. Aber wenn ich etwas nennen müsste, dann wären das die Burpees. Einfach, weil sie mir den Puls immer so krass hochjagen und ich sie deshalb nicht so schnell machen kann.
Danke, liebe Irene, für das tolle Interview & weiterhin viel Erfolg!