Dr. med. D. Walch Kinderarzt Tafel

Mein Kinderarzt – das Ende einer Ära

Wenn Ende Woche die Türen der Praxis von Kinderarzt Dr. Walch in Vaduz für immer schliessen, geht eine Ära zu Ende. Nicht nur für mich, sondern auch für viele andere…

Rund 45 Jahre lang hat Dr. Walch in Vaduz als Kinderarzt praktiziert und unzählige Kinder, mehrere Generationen, behandelt. Mit stolzen 78 Jahren geht er in seine wohlverdiente Pension, ohne einen geeigneten Nachfolger gefunden zu haben.

Die Arztpraxis – unverändert

Dr. med. Dieter Walch Praxis-Eingang 45 Jahre lang war die Praxis ein immer gleich bleibender Zufluchtsort für Eltern und ihre kranken Kinder. Als ich vor ein paar Wochen hin ging um die Akten von mir und meinen Kindern abzuholen, roch es noch genauso wie in meiner Kindheit. Die Möblierung war noch genau dieselbe. Der grosse Bär gegenüber der Empfangs-Theke, das Sofa dahinter, auf dem ich schon hundeelend lag bis ich an der Reihe war, die Holz-Schnecke, die Geschichten-Telefonhörer und die Lego-Tafeln im Wartezimmer – alles noch genauso wie vor über 30 Jahren.

Die Nierenschalen im Behandlungszimmer, die Messbänder an der Wand, die bunten Stoffbälle, die Zeichnungen an der Wand – alles, wie eh und je. Der Geruch in all den Räumen – unverändert. Nur die Praxisangestellten haben gewechselt. Und der Herr Doktor? Seine Stimme, sein Dialekt, noch immer gleich. Die Haare wurden kürzer, weniger und ein wenig grauer. Seine Haltung gebückter. Er hat ein paar Falten mehr im Gesicht und ein paar Altersflecken mehr auf der Hand. Sein Arbeitspensum hat er in den letzten Jahren bereits reduziert.

Er war der Arzt meines Lebens…

Als ich erst die Akten meiner Kinder hole, spreche ich nur kurz mit ihm, nichts ahnend, dass dies der Abschied sein sollte. Denn meine eigene Akte war noch nicht bereit. Aber als ich diese hole, ist er gerade beschäftigt. Ich hoffte noch auf ein Interview mit ihm für eine Lokalzeitung, doch dieses sagt er per Mail ab – und schreibt auch nicht mehr zurück. Hätte ich das gewusst, als ich mit meiner Jüngsten dort war, ich hätte bestimmt losgeheult. Geheult habe ich dann zuhause, mehrmals. Vor allem, als seine Absage kam.

Es ist, es war nur ein Arzt. Nur? Nein, es war mein Arzt, der Arzt meines Lebens, der Arzt meiner Kinder, zumindest der Grossen, denn mit der Jüngsten habe ich leider schon gewechselt, aus Sorge, sonst keinen guten mehr zu finden. Ärztemangel… Ich war oft krank, öfter als mir bewusst war… das las ich dann erst zuhause in meiner Akte. Ich war wohl fast Stammgast. Aber immer half er. Meist ging es mir gefühlt schon besser, wenn ich in der Praxis war. Oft erhielt ich dort schon eine Dosis eines Medikaments. Und es ging aufwärts. Seine Behandlung war immer erfolgreich.

Als wir nicht zu ihm konnten, musste ich ins Spital

Ich kann mich an genau zwei Momente erinnern, an denen er im Urlaub war. Beim ersten Mal musste ich wieder hin weil die Medikamente, die ich von seiner Vertretung erhielt, nichts nutzten. Beim zweiten Mal landete ich für ein paar Tage im Kinderspital, aber ich glaube das war an einem Wochenende. Als er wieder zurück war, sagte er meiner Mutter, sie hätte ihn anrufen sollen, dann wäre das nicht passiert.

Ansonsten lag er immer richtig oder hatte immer das passende Medikament für mich. Mit der Zeit wurden natürlich die Konsultationen seltener, wir wussten schon ungefähr, was ich nehmen musste, und wir hatten ja das meiste zuhause. Aber immer bin ich gerne hin gegangen. 16(!) Jahre lang. Dann wurde es langsam Zeit für einen „normalen“ Arzt. Ich war ja schon eine halbe Frau und es fühlte sich da auch zunehmend seltsam an, zu einem Kinderarzt zu gehen. Ein Teenie im Wartezimmer unter Babys und Kleinkindern. Aber auch als ich später mit meinen Kindern hin ging, habe ich noch das ein oder andere schon etwas ältere „Kind“ in der Praxis erblickt. 😉

Auch meine Kinder waren herzlich willkommen…

Wie dem auch sei, ich hatte längst einen anderen Hausarzt als ich schwanger wurde, aber mit etwas vom ersten, was ich abklärte, war, ob Dr. Walch noch praktiziert. Und siehe da, er tat es. Und ich wusste, mein Kind würde bei ihm stets in guten Händen sein. So war es dann auch. Und meine Kinder gingen auch immer problemlos hin und liessen sich untersuchen. Das kann ich von meiner Jüngsten nicht behaupten, auch wenn sich ihr Kinderarzt zweifellos nicht weniger herzlich um sie bemüht.

Und was noch wichtiger war: auch ich war bei ihm (wieder) in guten Händen. Meine Kinder waren nicht oft krank und so war ich wohl auch jedes Mal ziemlich aus dem Häuschen, in Sorge und überhaupt. Dann kam er zur Tür des Behandlungszimmers rein, schmunzelte und strahlte und begrüsste uns herzlich, freudig und wie immer mit einem humorvollen Spruch. Und das Kind stand immer im Zentrum. „Na, was fehlt denn der kleinen Prinzessin?“ (zur Maus). Und ich wusste: alles wird gut. „Jungs leiden eben etwas mehr, gell junger Mann?“ (zum Grossen). Und mir fiel ein Stein von Herzen.

Wir bekamen immer sofort einen Termin

Nie wieder habe ich einen Arzt erlebt, der, und ich kann es gar nicht beschreiben, woran es lag, einen solch guten Draht zu den Kindern hatte. Sie mussten ihm wahrlich am Herzen gelegen sein, jedes einzelne. Das merkte man auch in der Praxis. Wartezeiten von 60-90 Minuten waren keine Seltenheit. Oft waren die Wartezimmer rappelvoll. Ein krankes Kind und besorgte Eltern lehnt man nicht ab. Egal, was es war, ich bekam immer sofort einen Termin.

Die Wartezeit nimmt man in Kauf, wenn man weiss, wie gut er sich kümmert und dass man danach beruhigt nach Hause kann. Es blieb auch immer Zeit für einen kleinen Schwatz. Egal, wie viele Patienten noch warteten. So viel Zeit muss sein. Abgefertigt wurden wir nie.

Dieser Abschied ist ein schwerer. So viel Zeit habe ich in dieser Praxis verbracht, so oft wurde mir geholfen, so oft Mut gemacht. Und auch wenn ich beim Blick in meine Akten das ein oder andere Mal schlucken musste, woran er keine Schuld trägt, so bin ich doch einfach nur traurig. Traurig, dass diese Ära endet. Dass dieser so kompetente Arzt nun nicht mehr für uns da ist, wo er es doch ein halbes Leben lang für mich war.

Ich will danke sagen…

Brief an meinen Kinderarzt
Diesen Brief fand ich in meiner Patienten-Akte…

Er fuhr nie das Standardprogramm bei den Kontroll-Untersuchungen. Er schaute das Kind an und sagte: es ist alles gut. Keins meiner Kinder musste je Buchstaben ablesen, auf einem Bein hüpfen und dergleichen. Nicht jeder mochte diesen Arzt. Er gab immer gerne Medikamente. Aber mir/uns halfen sie, also was will man mehr? Wir sind gesund. Ich bin gesund. Meine Kinderkrankheiten haben sich ausgewachsen und meine Kinder, zumindest die grossen, haben das robuste Immunsystem ihres Vaters geerbt – Gott sei Dank!

Danke sagen, ja, mehr bleibt mir nicht übrig. In meiner Akte steckte ein Dankes-Brief… Eigentlich wollte ich ihm immer eine Zeichnung machen, damit er sie aufhängen kann an der Wand. Dort, wo ich schon die Zeichnungen der anderen Kinder immer bewunderte, wenn ich, manchmal lange, auf ihn warten musste. Aber ich habe es nie geschafft. Bis auf diesen einen Brief. Immerhin…

Und nun, ein letzter Brief:

Vielen Dank, Herr Dr. Walch, für alles, was Sie für uns getan haben! Mögen Sie Ihre Pension in vollen Zügen geniessen. Sie haben so vielen geholfen. Jetzt dürfen Sie sich zurück lehnen und hoffentlich in bester Gesundheit und in bester Gesellschaft alt werden, also: noch älter. Ganz alt… Ihre Lebensaufgabe ist getan, es muss schwer gewesen sein, sich davon zu trennen, sonst hätten Sie bestimmt nicht so lange praktiziert. Sie waren ein Kinderarzt mit grossem Herz und grosser Leidenschaft. Wir sind unendlich dankbar. Es war ein riesiger Gewinn, Sie so lange konsultieren zu dürfen und dies nicht nur selber, sondern dann auch mit meinen Kindern. Danke, danke, danke!!!

Praxisaufgabe Kinderarzt Pin

5 comments
  1. Oh ja… Es war schwer, als ich die Akten unserer Kinder holte. Auch ich war „es Walch-Kind“ und unsere zwei Girls auch….

    Auch von unserer Seite ein herzliches „Vergelts Gott Dr. Walch“ für alles was sie für uns getan haben

    1. Schön! 💖 Danke Dir!! 🙂

    2. Ich war auch ein Walch-Kind und hätte gerne meine Akten geholt. Wissen Sie, ob die bestimmt vernichtet wurden, oder gibt es eine Chance, dass die noch irgendwo herumliegen?

  2. Auf Wiedersehen Dottore und danke für alles, bin mir sicher das du auch da oben deine geliebte Arbeit machen wirst. Grazie 🙏

    1. Ich hoffe es. Ich bin so traurig… So viele Erinnerungen und ich habe immer gehofft, ihm vielleicht privat einmal über den Weg zu laufen…

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