Geschwister-Buch Das gewünschteste Wunschkind

Geschwister – sie streiten und sie lieben sich

Für meinen aktuellsten Buchtipp „Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn. Das Geschwisterbuch“ von Danielle Graf und Katja Seide habe ich mich wieder in kleinen Häppchen hinter die Lektüre geklemmt und bin stolz, damit schon durch zu sein… 😉

Das Geschwisterbuch ist ein Must Have für alle, die mehrere Kinder möchten oder sich immer wieder über dieselben Streitereien und Konflikte unter den Geschwistern nerven, für die sie einfach keine Lösung finden.

Kinder suchen sich nicht aus, Geschwister zu werden

Ich fand bereits „Geschwister als Team“ von Nicola Schmidt sehr wertvoll, finde aber, dass Danielle Graf und Katja Seide mit ihrer Ausgabe nochmals etwas mehr in die Tiefe gehen und das Thema wirklich von A bis Z beleuchten, angefangen bei der sogenannten nachgeburtlichen Geschwisterkrise

Ein Geschwister zu werden „passiert“ (…). Kinder werden nicht aktiv daran beteiligt und werden selten gefragt, ob sie es überhaupt wollen. Dementsprechend haben alle von ihnen ein Recht auf ein eigenes, von ihren Geschwistern unabhängiges Leben und auf die Befriedigung ihrer ureigenen Grundbedürfnisse.

Dies, schreiben die Autorinnen, sei die zentrale Aussage des Buches. Ich möchte zuerst rasch über meine Situation sprechen, bevor ich Euch weiter unten einen tieferen Einblick in das Geschwisterbuch gebe.

Meine eigene Situation

Selbst bin ich mit 16 Jahre älterem Halbbruder aufgewachsen. Aufgrund des grossen Altersunterschiedes war er für mich eher ein weiterer „Erzieher“ denn ein Spielgefährte. Er wuchs als Kind vor allem bei unserer Grossmutter auf, erlebte also eine konservative und strenge Erziehung, wie sie früher üblich war.

Das bekam ich oft zu spüren, denn anstatt unsere Beziehung zu pflegen, ermahnte er mich ständig wegen irgendwas. Das „nicht mit offenem Mund reden“ hören heute auch meine Kinder wenn er bei uns isst. Zudem musste er mir oft beim Lernen (ich sag‘ nur Mathe) helfen und mich als Skilehrer mit in die Berge nehmen.

Von meinen Eltern erfuhr ich, dass er oft eifersüchtig auf mich war, weil ich behütet in einer „richtigen“ Familie aufwuchs, mit meinen Eltern jedes Jahr ans Meer fliegen durfte und generell finanziell mehr drin lag als damals bei ihm.

Ich wollte, dass meine Kinder Geschwister haben

Nichtsdestotrotz ist er heute für mich, seit dem Tod meiner Mutter und seit ich selber Kinder habe, sehr wichtig und er kommt regelmässig vorbei um meine Kinder zu hüten damit ich ins Training kann. Dafür werde ich ihm ewig dankbar sein und ich hoffe, ihm das irgendwann zurückgeben zu können.

Mit dem Hintergrund also, eher als Einzelkind aufgewachsen zu sein, wollte ich für meine Kinder unbedingt Geschwister haben und zwar nicht mit zu grossem Altersabstand. 21 Monate zwischen den ersten beiden waren dann aber rückwirkend eher ungünstig.

Unser gefühlsstarker Sohn, langjährige Leser wissen es, stürzte nach der Geburt in eine sehr tiefe und ausgeprägte Geschwisterkrise, die er nie wirklich überwand. Die Entthronung war für ihn derart traumatisch, dass er monatelang nicht ohne Beisein seines Vaters (ein)schlafen konnte.

Sprich: mein Mann war ab 20 Uhr ans Kinderbett im Kinderzimmer gefesselt. Jegliche Versuche, sich irgendwann raus zu schleichen, wurden vom Grossen sofort bemerkt. Weil wir damals noch kein Familienbett pflegten, war also eine Matratze neben dem Kinderbett der Ort, an dem mein Mann seine Abende wochenlang verbrachte.

Ich hätte vieles anders gemacht…

Heute, mit dem Wissen von der bedürfnis- und bindungsorientierten Elternschaft, hätte ich damals vieles anders gemacht und die Krise wäre vermutlich nicht so gross gewesen. Ja, vermutlich hätte ich auch nicht so früh ein zweites Baby bekommen…

Aber es ist wie es ist… Trotzdem waren wir jahrelang im Strudel der Geschwister-Konflikte gefangen. Der Grosse wägte jeden Krümel, den seine Schwester mehr haben könnte, mit der Goldwaage ab. Die beiden spielten als Kleinkinder auch oft und gut miteinander, aber Streit war, irgendwann an der Tagesordnung.

Je älter die Kinder wurden, desto heftiger der Streit, vielleicht auch abhängig davon, wie es dem Grossen gerade ging. Er konnte zeitweise seine Schwester, das weiss ich jetzt nach der Lektüre des Geschwisterbuchs, richtig mobben. Und wir waren genau so hilflos und reagierten genauso falsch wie es im Buch beschrieben war.

Heute herrscht mehr Harmonie

Heute hat sich das Verhältnis zwischen Bruder und Schwester gebessert. Sie sind zwar nicht ein Herz und eine Seele, aber ich denke, dass gewisse Faktoren dazu beitragen, dass heute mehr Harmonie herrscht:

  • Die beiden verbringen mehr Zeit in der Schule und mit Freunden, sind also räumlich öfter getrennt und entwickelten eigene Interessen.
  • Nach der Geburt des Mäuschens (mit 5 Jahren Abstand zur Maus) hat sich das Familiengefüge nochmals verändert. Wenn die beiden also eifersüchtig sein müssten, dann auf die Jüngste. Doch mittlerweile sind sie auch alt genug um (meistens) nachvollziehen zu können, dass die Kleine eben mehr Aufmerksamkeit braucht.
  • Das Bewusstsein dafür, dass die Grossen ihre Exklusiv-Zeiten mit uns brauchen ist bei uns gewachsen bzw. haben wir unterdessen auch wieder Raum, Zeit und Kapazität dafür, was anfangs fehlte. Auch bedingt die Schule, dass wir uns mit jedem Kind mal hinsetzen um zu lernen oder bei den Hausaufgaben zu helfen.

Jetzt aber zum Geschwisterbuch… Klar ist, dass jede Familie und jede Geschwister-Konstellation individuell ist. Trotzdem liefern die Autorinnen eine Menge wertvoller Inputs, die dabei helfen, die Geschwisterbeziehung zu stärken.

Die nachgeburtliche Geschwisterkrise

Ein grosser Teil des Buchs dreht sich um die bereits erwähnte nachgeburtliche Geschwisterkrise. In diesem Zusammenhang erwähne ich auch das wundervolle Kinder-Buch „Baby ist da“, ebenfalls von Graf und Seide geschrieben.

Das Bilderbuch wendet sich an kleine Kinder, die ein kleines Geschwisterchen bekommen haben. Die Eltern können sich das Buch zusammen mit dem Kind ansehen und die vielen typischen Situationen gemeinsam anschauen und besprechen.

Das Kapitel der nachgeburtlichen Geschwisterkrise kann ich auch jedem Elternpaar zur Lektüre empfehlen, das gerade das zweite Kind erwartet… Es enthält z.B. auch einen Leitfaden, wie man erkennt, welche Bedürfnisse gerade am dringendsten sind:

  1. Blut und Schmerz sind sofort zu behandeln.
  2. Grundbedürfnisse wie Hunger, Durst etc. gehen vor.
  3. Je jünger das Kind, desto zeitnaher sollte sein Bedürfnis befriedigt werden.
  4. Je öfter ein Kind zurückstecken musste, desto dringender sollte man sich diesem Kind zeitnah zuwenden.

Familienleitlinien – brauchen wir sie und wenn ja, welche?

Familienleitlinien halten fest, worum es Ihrer Familie wirklich geht. Es ist die Vision dessen, wie Sie miteinander umgehen wollen, sodass sich alle wohlfühlen. Sie helfen Geschwistern, sich zu orientieren (…).

Leitlinien sind aber nicht Regeln, sie können also nicht gebrochen werden und es wird auch niemand bestraft, der sie nicht einhält, so die Autorinnen. Die Leitlinien helfen aber dabei, auf inakzeptables Verhalten hinzuweisen. Jede Familie soll sich selber darüber Gedanken machen, welche Leitlinien es braucht.

Die Autorinnen nennen die ihrigen, die ich hier gerne zusammenfasse:

  • Nein heisst nein – wir respektieren die Grenzen der anderen
  • Wir achten die Arbeit des anderen – egal ob Bauwerke des Kindes oder der gerade sauber gewischte Boden
  • Offene Kommunikation ist wichtig – Es ist gut, Rücksicht auf die Gefühle andere zu nehmen, aber manchmal ist ein „Ich möchte jetzt alleine spielen“ besser als sein Geschwister unter einem Vorwand wegzuschicken…
  • Keine verletzende Sprache: „Du bist doof!“ muss nicht sein. Man darf aber sagen, dass man blöd findet, was der andere gerade getan hat.

Diese Leitlinien können, sind die Kinder alt genug, ruhig gemeinsam entwickelt werden…

Geschwister-Streit – worum es in Wirklichkeit geht

Eins vorweg: Konflikte zwischen Geschwistern sind wichtig. Wir können und sollten sie also gar nicht immer verhindern. Denn sie „formen ihren moralischen und sozialen Kompass und schärfen ihr Persönlichkeitsprofil“

Obwohl Geschwister um alle möglichen Dinge streiten, vordergründig oft auf Sachebene (Spielzeug, Lebensmittel etc.) und teils auf sehr absurde Weise, kämpfen sie in Wahrheit um unerfüllte Bedürfnisse, oft einfach darum, „von den Eltern wahrgenommen und umsorgt zu werden“.

In der Rezension zum Buch „Das gewünschteste Wunschkind treibt mich in den Wahnsinn. Gelassen durch die Jahre 5-10“ habe ich das Thema Aktives Zuhören sehr ausführlich beschrieben, da es in allerlei Konflikt-Situationen bei Kindern, egal ob es sich um Geschwisterkind oder Krisen eines einzelnen Kindes handelt, sehr hilfreich sein kann um dem Bedürfnis dahinter auf den Grund zu gehen.

Auch im Geschwisterbuch wird darauf hingewiesen. Die Autorinnen stellen darüber hinaus aber diverse Konflikt-Situationen, wie sie bei Geschwistern immer wieder vorkommen, vor und listen konkrete Möglichkeiten auf, wie Eltern darauf reagieren können.

Das Geschwisterbuch – mein Fazit

Ich kann das Geschwisterbuch wirklich allen Familien sehr ans Herz legen. Es zeigt nicht nur auf, wie man die nachgeburtliche Geschwisterkrise überwindet, welche Bedingungen eine harmonische Geschwister-Beziehung ermöglichen (und welche hinderlich wären), sondern auch wie es mit Geschwistern ausserhalb der Norm aussieht.

Sehr konkrete Handlungs-Beispiele liefern die Kapitel „Geschwisterstreit liebevoll begleiten“ und „Streit zu begleiten ist schwer“, gute Ansätze und weiterführende Literatur-Tipps gibt es in „Geschwisterhass auflösen“ für besonders hartnäckige Fälle, wie es bei uns eine Zeit lang der Fall zu sein schien…

Damit ist man mit dem Geschwisterbuch bestens gerüstet. Natürlich klingt in der Theorie immer alles einfacher als es dann ist, zumal Konflikt-Situationen auch uns Eltern in Stress versetzen, so dass auch wir drohen, in den Kampf- oder Flucht-Modus zu schalten und nicht mehr adäquat reagieren können.

Handlungs-Alternativen einprägen

Nicht nur unsere Kinder müssen lernen, ihre Gefühle zu kontrollieren, auch Erwachsene lassen sich triggern, ihr inneres Kind kommt hervor, unerfüllte Bedürfnisse und die Belastung des Tages zeigt sich.

Doch je öfter wir uns damit auseinandersetzen, desto besser gelingt es uns. Und da gewisse Arten von Konflikten eben immer wieder vorkommen, hilft es ungemein, das entsprechende Kapitel im Buch herauszusuchen und sich Notizen zu machen, die man immer wieder durch liest bis man sie sich so eingeprägt hat, dass man sie im „Ernstfall“ direkt abrufen kann…

Hier könnt Ihr die beiden Bücher kaufen, am besten im Paket… „Baby ist da“ ist ein wundervolles Bilderbuch, indem die bindungsorientierte Elternschaft mit Stillen, Tragen und Familienbett abgebildet wird…

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5 comments
  1. […] Das Geschwisterbuch von „Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten„ […]

  2. […] Buchtipp zum Thema über die nachgeburtliche Geschwisterkrise und die Stärkung von Geschwister-Beziehungen: Das Geschwisterbuch […]

  3. […] Buch-Paket von Beltz mit dem neuen Geschwisterbuch von „Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn“ und dem […]

  4. […] → Hier geht es zur Rezension über den Nachfolger, das Geschwisterbuch. […]

  5. […] Darüber aber in diesem Beitrag mehr: Geschwister – sie streiten und sie lieben sich […]

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