Du bist anders, du bist gut Nora Imlau

Buchtipp: „Du bist anders, Du bist gut“ von Nora Imlau

Mit „Du bist anders, Du bist gut“ knüpft Nora Imlau an „So viel Freude, so viel Wut“ an, ihr erstes Buch über gefühlsstarke Kinder, in dem sie die Ergebnisse ihrer umfassenden Recherche zusammenfasste. Der Untertitel erklärt dann auch, worum es in ihrem zweiten Buch geht: „Gefühlsstarke Kinder beim Grosswerden begleiten. Ab 6 Jahren.Für mich wie für viele andere Eltern, die mit ihren älteren Kindern hadern, ein grosser Segen. Bereits bei der Lektüre von „So viel Freude, so viel Wut“, fühlte ich mich endlich verstanden und abgeholt.

Wir sind nicht alleine

Endlich erhielt ich die Erkenntnis, dass weder wir Eltern, noch mein Sohn „verkehrt“ waren oder therapiert werden müssten, sondern dass wir einfach ein gefühlsstarkes Kind haben und damit überhaupt nicht alleine sind.

Auch in „Du bist anders, Du bist gut“, musste ich ständig innerlich nicken und schmunzeln und war manchmal fast zu Tränen gerührt, weil Nora Imlau nicht nur fast identisch beschrieb, wie unser Kind ist und wie es uns dabei geht, sondern dem Leser auch das Gefühl gibt, nicht falsch gemacht zu haben.

Und vor allem: dass es durchaus möglich ist, mit den täglichen Herausforderungen umzugehen und sein Kind zu stärken damit es lernt, sich selber zu regulieren.

Gefühlsstärke ist anstrengend und herausfordernd für alle Beteiligten, aber sie ist weder eine Krankheit noch eine Störung noch ein Ergebnis falscher Erziehung.

Eine unglaublich anstrengende Aufgabe

Etwa jedes 7. Kind ist Schätzungen zufolge gefühlsstark. Sie heute als genau das zu sehen und sie nicht dafür zu verurteilen, sondern ihr Potential zu stärken, ist laut Imlau wichtig. „Ein gefühlsstarkes Kind ins Leben zu begleiten, ist eine unglaublich anstrengende Aufgabe“, schreibt Nora Imlau.

Die Eltern bilden es sich keineswegs ein, „dass ihr Familienalltag um ein Vielfaches herausfordernder ist als der vieler anderer Mütter und Väter. Sie sind nicht schwächer, weinerlicher, weniger belastbar.“ Genau das ist ein Punkt, an dem auch ich oft das Einsehen hatte.

Versuchte ich jemandem mit einem nicht gefühlsstarken Kind zu erklären, warum ich gerade null Kapazitäten habe und wir einfach nur maximal belastet und gefordert sind, wurde ich angesehen wie ein Ausserirdischer.

Ein fast dauerhafter Stresszustand

Wer unseren Alltag nicht live miterlebt, hat einfach keine Vorstellung davon, wie zehrend er ist und wie oft hier „Bomben“-Stimmung herrscht, die uns in einen fast dauerhaften Stresszustand versetzt. Und dies, in der Tat, auch heute noch. Denn irgendwann dachte man ja mal, dass sich das irgendwann auswächst, aber dem ist nicht so…

Mit dem Schulalter kamen ganz neue Herausforderungen auf unser Kind und damit auf unsere Familie zu. Anders als eher regulationsstarke Kinder seien gefühlsstarke Kinder auch im Grundschul- und Teeniealter darauf angewiesen, dass wir Erwachsenen mit darauf achten, dass ihre Bedürfnis-Tanks gut gefüllt sind, damit ihr Gefühlsleben auch einigermassen im Lot bleibe, schreibt Imlau.

Strategien wie aktives Zuhören

Wo also andere Kinder bereits gut selbst Verantwortung übernehmen können, brauchen sie noch unsere Unterstützung. Ähnlich wie im Buch „Das gewünschteste Wunschkind…“ beschreibt Nora Imlau das aktive Zuhören als wichtigen Baustein im Umgang mit einem gefühlsstarken Kind. Liest in meiner verlinkten Rezension gerne mehr darüber.

Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, auch wenn es mir nicht immer gelingt, das aktive Zuhören umzusetzen. Zum Thema Grenzen betont Imlau, dass vor allem die persönlichen wichtig sind, nicht die künstlich gesetzten. Individuelle Bedürfnisse sollen, ganz im Sinne einer bedürfnisorientierten Elternschaft, selbstbewusst vertreten werden.

Das kann in der Praxis tatsächlich so aussehen, dass ich als Mama in Ruhe duschen gehe während mein Kind davor tobt und zetert. Diese Selbstfürsorge bedeutet, dass ich danach viel einfühlsamer auf die Bedürfnisse meines Kindes eingehen kann.

Wenn die Kooperationsbereitschaft erschöpft ist

Dieselbe selbstbewusste Haltung sollten wir auch einnehmen, wenn es darum geht, Verantwortung für unser Kind zu übernehmen, z.B. weil es duschen oder die Hausaufgaben machen sollte. Je klarer wir damit seien und auch nicht abweichen, desto eher werde das Kind dem folgen, ohne dass dazu Zwang, Erpressung oder dergleichen notwendig waren…

Kinder wollen von sich aus kooperieren, das hören wir immer wieder. Nur ist die Kooperationsbereitschaft auch irgendwann erschöpft, z.B. nach einem strengen Schultag. Reagiert das Kind in einem solchen Moment also heftig und protestiert, signalisiert es damit nicht, dass es unerzogen und bockig ist, wie es von aussen oft eingeschätzt wird, sondern setzt ein Notsignal ab. „Stopp, meine Grenze ist erreicht. Mir geht es nicht gut“.

Gefühlsstarke Kinder und die Schule

Wenn Eltern das sehen und verstehen, wird alles viel einfacher, als wenn daraufhin erst recht ein Streit vom Zaun gebrochen wird… Das Kapitel „So viel Schule, so viel Stress“ war darum für mich auch sehr spannend, denn vieles, was hier beschrieben ist, forderte uns jede Woche heraus.

Die Mathe-Hausaufgaben, die unseren Grossen in schiere Verzweiflung stürzten, Erlebnisse, die ihn manchmal stinksauer oder unendlich traurig nach Hause kommen liessen und der immense Druck, den er sich immer selbst auferlegt hat…

Insofern war Corona für alle eine grosse Erleichterung, auch wenn ich anfangs erst lernen musste, ihm zu vertrauen und nicht zu kontrollieren, was er da macht und ob es genug ist. Währenddessen haderte die Maus zusehends mehr, aber das ist ein anderes Thema.

Pädagogische „Tricks“

Ja, Schule ist wahrlich kein Zuckerschlecken, erst recht nicht für ein gefühlsstarkes Kind, das gezwungen wird, einen Grossteil seiner Zeit mit Stillsitzen zu verbringen sowie mit Themen, die es nicht annähernd interessieren.

„Dazu kommen die sozialen Anforderungen. (…) Um das auf Dauer leisten zu können, braucht es eine Menge Impulskontrolle, Selbstdisziplin, Frustrationstoleranz sowie die Fähigkeit zum Bedürfnisaufschub.“

Natürlich gibt es Schulmodelle, die gefühlsstarken Kindern besser entgegen kämen. Leider sind diese oft nicht bezahlbar oder zu weit weg… Ein Nachteil herkömmlicher Schulen ist, dass leider oft mit pädagogischen „Tricks“ gearbeitet wird, die nicht empfehlenswert sind. Bei gefühlsstarken Kindern erst recht nicht… 

Die Rede ist von allerlei Belohnungssystemen, Verhaltens-Charts etc., mit denen die Lehrer versuchen, ihre Klasse „im Griff“ zu haben. Leider üben diese Methoden nur unnötig Druck aus und „zementieren Rollenerwartungen und Verhaltensweisen.“

Die Stimme des inneren Kindes

Nora Imlau spricht am Ende des Buches noch „das Kind in uns“ an, das öfter mal aus uns spricht wenn sich Persönlichkeitsanteile aus unserer Kindheit und Jugend erheben. Reflektieren ist hier angesagt.

„Die Botschaften, die wir selbst als Kind (un)bewusst empfangen haben, prägen unser Bild von uns selbst, und unseren Umgang mit uns selbst, bis heute.“

Unsere (vielleicht unerfüllten) Bedürfnisse von damals und heute erkennen und uns darum kümmern. Das Wort „Selbstfürsorge“ kommt ins Spiel, siehe oben, wir kennen es alle…

Fazit: eine Pionierarbeit

Buch kaufen… Klick!

Auch „Du bist anders, du bist gut“ ist ein wertvolles Buch, Tröster und Augenöffner für alle Eltern mit (schon etwas älteren) gefühlsstarken Kindern. Es nimmt den Leser mit in den Alltag und all die schwierigen Situationen, denen wir täglich begegnen, und liefert konkrete Tipps und Strategien, wie wir damit umgehen können um unser Familienleben in ruhigere Bahnen zu lenken.

Mit ihren beiden Büchern über gefühlsstarke Kinder hat Nora Imlau wahrlich eine Pionierarbeit im deutschsprachigen Raum geschaffen. Vielen Dank, dafür!

Weiterlesen – Buch-Tipps von Mama mal 3

Hat Dir mein Beitrag gefallen und möchtest Du ihn Dir für später speichern? Dann merke ihn Dir doch gerne auf Pinterest. Hier kommt Dein Pin:

Du bist anders, du bist gut Nora Imlau Pin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert