Pandemic Schooling Erfahrungsbericht

Pandemic Schooling – zwischen Verantwortung und Verzweiflung

Ja, ich schreibe bewusst von Pandemic Schooling und nicht von Homeschooling, denn die Ausgangslage ist hier eine ganz andere. Nach über 50 Tagen zuhause in der Quarantäne mit drei Kindern zwischen 3 und 10 Jahren, etwas Haushalt und Arbeiten heute ein Fazit darüber, wieso ich froh bin, dass die Kinder ab nächster Woche wenigstens partiell wieder Präsenz-Unterricht haben…

Pandemic Schooling, das

Der Versuch, meist mehrere Kinder unterschiedlicher Stufen und Lerntypen, meist nebst Haushalt, Homeoffice und Baby oder Kleinkind in Zeiten des Lockdowns den von diversen Lehrern aufbereiteten Lernstoff aneignen zu lassen ohne dabei (zu viele) Nerven und den Verstand zu verlieren. Nicht zu vergessen mit dem selbst gewählten Homeschooling oder Freilernen.

Schulkind macht zuhause Schulaugaben März. Es wird klar, dass die Schulen auf unbestimmte Zeit schliessen und die Kinder nach ihren Möglichkeiten zuhause den Schulstoff bearbeiten sollen. Es fühlt sich surreal an, aber auch spannend.

Wer hat nicht schon immer davon geträumt, mal nicht zur Schule gehen zu dürfen. „We don’t need no education.“ Aber halt, das sind keine Ferien. Die Kinder sollen schon was tun. Aber in welchem Umfang und wie?

Viele Eltern gehen auf die Barrikaden. Da ist ja noch ein Job und keiner, der die Kinder betreuen darf und überhaupt und wie? Die Lehrer legen sich ins Zeug, haben in Windeseile Blätter kopiert und verteilen das Material in den Briefkästen ihrer Schützlinge. Die Maus-Lehrerin hat auf Youtube einen Küken-Livestream eingerichtet weil diese bald im Klassenzimmer schlüpfen werden.

Zwei Schulkinder mit unterschiedlichen Bedürfnissen

Also sitzen wir am ersten offiziellen Zuhause-Schultag zusammen am Tisch. Das Material und den Wochenplan vor uns, los geht’s, ich bin motiviert! Was ich da noch nicht wusste: dass die Lernbereitschaft bei Kind 1 sich im Laufe der Wochen diametral zu derjenigen von Kind 2 bewegen wird…

Der Grosse, gefühlsstark wie er ist, strugglet erstmal gehörig. Er setzt sich in den Kopf, den Lernstoff, den er für die Woche bekommen hat, an einem Tag zu erledigen damit er frei für seine Lego-Bauprojekte ist und sich nicht mehr damit herum schlagen muss. Wir ecken aneinander weil ich gegenteiliger Meinung bin.

Dann der nächste Eklat: ich masse mir an, zu kontrollieren, ob er alles pflichtbewusst erledigt hat, wühle in seinem Zeug und ernte dafür Wutausbrüche erster Güte. Wer diesem Kind nicht vertraut, hat ein schweres Leben. Also lasse ich los, so wie eigentlich sehr oft bei ihm, und lasse ihn gewähren.

Pandemic Schooling? Keep cool!

Ich lerne: es ist eigentlich sch… egal, ob er den Sch… macht. Was kann schon passieren? Dass er irgendwann eine Ehrenrunde im Schulhaus dreht. Na, und? Sitzen bleiben ist nicht der Untergang der Welt. Ergo: keep cool, Mama! Und tatsächlich: es funktioniert, offenbar.

Klar, da sind Lücken, Fehler und ich hadere mit meiner Wut darüber, dass alles mit „freiwillig“ bei ihm direkt in die Altpapier-Sammlung wandert.

Ich stehe mir da einfach selber im Weg. Ganz im Sinne einer teil-ambitionierten Mutter hätte ich gerne, dass mein Sohn alle Lernangebote annimmt und aufsaugt und dann vielleicht noch mehr und noch mehr Zusatzaufgaben abarbeitet. Ich bilde mir ein, ich als Kind hätte genau das getan. Weil, es soll ja mal was werden aus dem Kind…

Sie machen trotzdem ihren Weg…

Die pure Angst spricht da aus mir. Die Angst, er bränge es zu nichts, wenn er im Lockdown nicht ackert wie ein Blöder. Oder, dass ich irgendwann nicht stolz mit meinem Kind bluffen kann. So ein Mist! Dass mein Kind noch andere Interessen hat und vermutlich trotzdem seinen Weg machen wird, vergesse ich leider immer mal wieder. Aber jetzt ist gut.

Ich ersticke einfach jeden Gedanken-Anflug von „Mama XY pusht ihre Kinder vermutlich gerade total, die werden nach dem Lockdown bestimmt 2 Klassen überspringen.“ im Keim. Und ganz ehrlich: die anderen lernen auch ohne Pandemic Schooling mehr oder eben weniger… 

Ach ja, und weil er so ist wie er ist, muss ich auch die wirklich lieben Angebote von drei (!) Lehrkräften ablehnen, mit ihm via Facetime Mathe zu büffeln. Und er war erstaunlich klar in seiner Aussage: „Mama, ich mag es nicht, jemanden nur via Kamera zu sehen. Das ist einfach komisch und nicht richtig!“ Das Kind kann nur face to face und ich kann ihn verstehen!

Homeoffice und Schule geht nicht

Nach einiger Zeit also hat sich dieses pandemische Schul-Ding irgendwie eingependelt. Die Kinder setzen sich morgens mehr oder weniger freiwillig an die Hausaufgaben während ich meinen Kram mache, Frühstück richte, Kaffee trinke, mich um das Mäuschen kümmere. Schnell wird mir klar, dass Arbeiten am PC nicht möglich ist da im 2-Minuten-Takt jemand eine Frage hat.

Die Lehrerinnen der beiden haben sich wirklich bemüht. Das Lernmaterial ist liebevoll zusammen gestellt, die Lehrerinnen sind bei Fragen erreichbar, sie haben Videos vorbereitet, alles ist gut gebündelt, farblich markiert, es gibt hier ein Schöggeli und da ein liebes Wort, ein Briefchen. Die Maus freut sich Ende Woche jeweils sehr auf das neue Kuvert.

Aber was die Lehrerin mehrfach betonte, gilt für dieses Kind nicht. Mehrmals erkläre ich ihr, dass sie mich nicht nach jedem Satz und jeder Rechnung zur Durchsicht anhalten muss. Schliesslich stünde sie in der Schule auch nicht alle paar Sekunden am Lehrerpult.

Selbstständig arbeiten? Nope!

April. Das Wort „selbstständig“ steht dick und fett in allen Unterlagen. Es ist ein Witz. Sie versucht es, aber sie lässt sich von jedem Pieps ablenken. Sieht sich der Grosse ein Lernvideo an, steht sie neben ihm. Dann schmiert sie sich in der Küche ein Brot. Spielt mit der Kleinen. Holt ein Glas Wasser. Es ist zum Mäuse melken. Pandemic Schooling, pah!

Langsam kristallisiert sich also heraus, dass dieses Kind nur fähig ist, für die Schule zu arbeiten, wenn ich mich gezielt und alleine mit ihr hinsetze. Leider ist das mit zwei anderen Kindern schwer möglich. An einem Nachmittag gelingt er halbwegs. Aber auch dort kommt es mir vor, als würde ihr Gehirn sich in Zeitlupen-Tempo drehen. Ich verzweifle. Fast.

Wir kommen ewig nicht vom Fleck. Das Lesen sitzt noch überhaupt nicht. Ständig muss ich nachhelfen, Aufgaben vorlesen und erklären. Und oft macht das Kind einfach nur komplett dicht, läuft davon oder bockt. Ich so: Kopf-Tisch. Kopfschmerztablette.

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Nein, ich will kein Mitleid!

Aufmunternde Notiz der Lehrerin Muss ich erwähnen, dass ich selber das Haus fast nur zum Einkaufen und Spazieren gehen verlasse und praktisch keine Sekunde für mich habe? Ich kann enorm geduldig sein, aber meine Selbstfürsoge-Tanks sind zum Gähnen leer. Irgendwann stehe ich in der Apotheke und hole mir etwas gegen üble Bauchschmerzen. Zum Glück helfen die Tabletten.

Nein, ich will weiss Gott kein Mitleid. Ich kann meinem Kind gerade nicht die Stütze sein, die es bräuchte. Wenn, dann gebührt dem Kind Mitleid. Die Situation geht vermutlich nicht so spurlos an den Kindern vorbei, sonst wären sie nicht so aufgewühlt und würden ihre Nerven noch schneller verlieren als ich.

Macht Euch nicht kaputt“ schreiben viele. Lasst den Schul-Quatsch einfach sein. Auch ich werfe ihr das an den Kopf. Dass es mir sch…egal ist (was nicht stimmt), dass sie der Lehrerin doch selber erklären soll, dass sie nichts gemacht hat (was enorm fies ist) und „leave me the fuck alone“ (nur in Gedanken). Hat der Grosse vor ein paar Wochen noch Mathe-Blätter zerrissen würde ich jetzt gerne ihren Schulstoff in die Luft jagen…

Pandemic Schooling zeigt uns Baustellen auf

Immer wieder versuche ich sie zu ermuntern weil es mir halt nicht egal ist, weniger egal als beim Grossen weil ich merke, dass sie mehr Defizite hat. Sie ist aber auch 2 Jahre jünger. Und haben nicht die anderen Kinder vermutlich genau so viel Mühe mit dem Schulstoff? Naja, zumindest ein paar davon.

Doch meine Bemühungen scheitern. Mal sind ihr die Geschwister zu laut (leiser werden die im Leben nicht mehr!), mal ist der Stift weg (und es muss haargenau dieser Stift sein), mal steht der Mond schief (immer) und der Papa muss weg. Ausreden finden scheint gerade das einzige zu sein, was keine Probleme bereitet.

Mir scheint, als kämen da gerade ganz viele Sandwich-Kind-Baustellen zusammen, die es uns verunmöglichen, das Pandemic Schooling zu meistern ohne dass unser Familienleben ernsthaft Schaden davon nimmt.

Ein Lichtblick: Die Schulen öffnen wieder!

Aber: Mai. Die Tage sind gezählt, wir haben es praktisch überstanden und mit gut Glück werden wir (hoffentlich) nicht mehr in diese Situation kommen… Gott steh‘ mir bei, sollte im Herbst/Winter eine 2. Welle plus erneutem Lockdown auf uns zukommen! Noch zwei Monate Unterricht und die Kinder haben Sommerferien.

Mir ist, als hätte das Schuljahr erst begonnen und schon steht wieder ein Klassenwechsel an!? Verrückt, wirklich verrückt… Ich freue mich auf einen halbwegs entspannten Sommer ohne Druck, irgendwas für die Schule zu machen. Da ist mir das „mir ist langweilig“-Klönen 10x lieber.

Aber jetzt: bis Anfang Juni hängen die vorläufigen, „neuen“ Halbklassen-Unterrichts-Stundenpläne im Schrank. Pandemic Schooling soll weiterhin an den freien Tagen stattfinden, aber da meine Kinder genau zeitversetzt Präsenz-Unterricht haben, sollte es ab jetzt etwas entspannter laufen. Hoffe ich.

Zuerst mal wird sich herausstellen, wie gut die Lehrerinnen auf die allfälligen Lücken der einzelnen Kinder eingehen können. Immerhin: in Kleinklassen sollte das besser gelingen…

Als wäre es der erste Schultag

Nicht, dass mir dann wieder ein Kind, wenn es mittags nach Hause kommt, fast zusammen bricht, weil „die Hausaufgaben extrem krass schwer, ja eigentlich völlig unlösbar sind!“ Nicht, dass die Lehrerin wieder 3 Stunden täglich am Schulstoff arbeiten vorschlägt, inkl. Freiwilligem, was der Grosse dankend abwinken wird.

Also: Pandemic Schooling, 2. und hoffentlich letzte Phase – mit 4 Wochen reduziertem Präsenz-Unterricht und einigen Feiertagen. Ein nicht so schlecht gewähltes Konzept für einen sanften Übergang in den danach, so die Infizierten-Zahlen es erlauben, wieder herkömmlichen Unterricht. Wird schon werden! Wird komisch werden…

Wenn meine Tochter als erste der beiden am kommenden Montagmorgen wieder ihren Schul-Rucksack schultern und davon rollern wird, wird mir das sehr schräg einfahren. Fast so als wäre es nochmals der erste Schultag überhaupt.

Wochenlang hatte ich meine Kinder jetzt sicher zuhause und plötzlich soll ich sie wieder los lassen!? Aber nur dem Familienfrieden zuliebe!

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{ Tag 9 } Homeschooling 📚| Ich finde es spannend, zu sehen, wie unterschiedlich und in welchem Umfang die Kinder ihre Schul-Aufgaben erhalten… Hier kamen die Sachen erst mal sehr altmodisch per Post, was ich sehr witzig fand. Mittlerweile kommen auch Mails mit we-transfer-Links, morgen gibt es ein Telefonat mit der Lehrerin des Grossen und die Lehrerin der Maus schickt regelmässig kurze Lern-Videos auf YouTube Kids und hat dort auch einen Live-Stream für die Küken eingerichtet, die gerade im Klassenzimmer schlüpfen. Flöten-Unterricht findet per Skype statt. Kurz: die Lehrer bemühen sich sehr, denn so richtig „frei“ haben sie ja auch nicht. Was die Maus an Übungsblättern erledigen muss, darf ich dann nächste Woche per Post ins Schulhaus schicken, wo es die Lehrerin anschauen/korrigieren wird. . 💻 Bereits vor 11 Jahren als ich meine Weiterbildung zur PR-Fachfrau absolvierte, hatten wir an einem Abend pro Woche e-learning-Sessions. Ich muss zugeben, dass ich das damals schon sehr cool fand, mit einem Getränk und in Jogginghosen bequem zuhause vor dem Laptop zu sitzen anstatt nach Zürich zu fahren und dort mit allen in einem stickigen Kursraum zu sitzen. Klar, der Online-Unterricht kann nicht alles ersetzen, aber die Möglichkeit zu haben ist in Zeiten von #corona schon mal gut. Ich find’s aber gut, dass wir mit unseren Primarschul-Kids nicht den halben Tag vor dem Bildschirm sitzen müssen. Es fühlt sich richtiger an, in Heften, Büchern und mit Blättern zu arbeiten und mit den Wochenplänen der Lehrerinnen. . 🧮 Ersetzen wird auch das den regulären Unterricht nicht. Beide Kinder vermissen die Schule und ihre Gspänli. Es ist immens schade, dass die Maus die Küken nicht live erleben und streicheln kann, auch wenn ich die Hoffnung hätte, dass die Lehrerin jedem Kind einzeln einen realen Besuch ermöglicht… . #mamamal3 #mamablogger #homeschooling #schulezuhause #lernen #familienleben #coronakrise #iblibdaham #wirbleibenzuhause #flattenthecurve #socialdistancing #mitkindernlernen #mamablogger_ch #schuleschweiz #elearning #mamaleben #swissblogger #schweizerfamilienblogs

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2 comments
  1. Finde ich gut, dass von „Pandemic Schooling“ und nicht von „Home Schooling“ gesprochen wird. Die polit. Entscheidungsträger machen es sich auch zu einfach. Eltern sind überhaupt nicht als Lehrer oder Erzieher ausgebildet, schon gar nicht, wenn sie dazu auch noch „nebenbei“ im Home Office arbeiten müssen. Außerdem können auch nicht alle Eltern ihren Kindern in der Schule helfen, z.B. weil Deutsch nicht ihre eigene Muttersprache ist. Dann kommt noch die digitale Spaltung dazu. Kinder, deren Eltern perfekt mit PCs, Laptops, Tablets und Druckern ausgestattet sind, haben es da natürlich leichter als Kinder aus Haushalten, wo diese technischen Geräte nicht vorliegen. Hat die Politik über all diese Sachen einmal nachgedacht? Ich befürchte nicht.

    1. Nein, man kann es hier aber auch nicht allen recht machen… Wir haben Glück, dass hier von Seiten der Schule kein grosser Druck herrschte, alles zu erledigen. Ich habe da von anderen Schlimmeres gehört. Da wurde mit schlechten Noten gedroht, das geht gar nicht…

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