Eltern mit Kind an der Hand

Buchtipp: Eltern bleiben nach der Trennung

Eltern bleiben nach der Trennung“ lautet der Titel des Buchs von Diplom-Psychologin Marianne Nolde. Als mir das Buch zur Rezension angeboten wurde, war ich sehr dankbar. Nicht, weil mich das Thema direkt betrifft, aber so einige, die ich kenne und generell betrifft eine Trennung leider einige Eltern früher oder später.

Und so nahm ich dankend an und liess mir auch den Kontakt zur Autorin geben, um sie persönlich befragen zu können. Natürlich bleiben Eltern immer Eltern, auch wenn sie nicht mehr zusammen sind, jedoch schaffen es leider nicht alle, sich im Guten zu trennen und manchmal verlieren die Kinder sogar den Kontakt zu einem Elternteil gänzlich.

Happy End nach der Trennung

Buchautorin Marianne Nolde Porträt
Marianne Nolde. Foto zVg. ©Birgit Röpke 

Dabei wünschen sich die meisten Eltern nur, dass die Kinder nicht zu sehr unter einer Trennung leiden. Und dass eine Lösung gefunden wird, die für alle Beteiligten stimmt, auch wenn diese nicht immer konventionell sein muss, sondern durchaus z.B. aus einer Co-Parenting– oder Patchwork-Situation bestehen kann. Jetzt lassen wir aber Marianne Nolde zu Wort kommen:

Mama mal 3: Frau Nolde, was hat sie dazu bewogen, dieses Buch zu schreiben?
Marianne Nolde: Ich habe jahrzehntelang als Gutachterin für Familiengerichte gearbeitet und selbst eine Trennung mit Kindern erlebt. Ich dachte mir, dass mein Erfahrungswissen Eltern dabei unterstützen kann, Lösungen zu finden, wenn ein Zusammenleben als Familie gescheitert ist. Ich will ihnen Mut machen und aufzeigen, dass es auch für die Familie nach der Trennung gute Wege gibt. Bei uns hat es schliesslich sogar zu einem richtigen Happy End gereicht.   

Wie viele Eltern trennen sich durchschnittlich?
Die Scheidungs-Zahlen sind in den letzten Jahren gesunken, steigen inzwischen in der Schweiz allerdings wieder an. 2018 wurde in Deutschland fast jede dritte Ehe geschieden, in der Schweiz lag die Scheidungsrate bei 36 Prozent. In Deutschland waren mehr als 120’000 minderjährige Kinder davon betroffen, in der Schweiz gut 12’000. Dazu kommen noch die Kinder unverheirateter Eltern, die wieder auseinander gehen.

Die Erwartungen nicht erfüllt

Was sind die häufigsten Trennungs-Gründe bei Eltern?
Da gibt es einmal sozusagen «objektive» Gründe, die eine Trennung erforderlich machen. Sei es Gewalt in der Ehe, schwere Sucht-Entwicklungen bei fehlender Bereitschaft, daran etwas zu ändern, oder was sonst die Kinder regelrecht gefährden würde, wenn man weiter zusammen bliebe. Und dann gibt es all die Gründe, die unserem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung entspringen: Man hat sich auseinandergelebt, hat sich nicht mehr viel zu sagen, hat sich vielleicht auf diesem Hintergrund anderweitig verliebt.

Die Erwartungen, die an die Beziehung und das Familienleben gestellt wurden, haben sich nicht erfüllt. Beide Partner haben sich in der ersten Verliebtheit etwas von der Beziehung erhofft, das unrealistisch war. Ein Beispiel aus meinem Buch ist der Freund, der eine temperamentvolle Frau geheiratet hatte, die ihn wegen ihrer Andersartigkeit faszinierte, und der dann enttäuscht war, dass er mit ihr nicht einfach ein ruhiges Leben führen konnte.

Für wen ist Ihr Buch?
Für Paare, auf die diese zweite Variante von Trennungs-Gründen zutrifft, ist mein Buch in erster Linie geschrieben. Für sie ist es oft möglich und sinnvoll, weiter gemeinsam Eltern zu bleiben – jedenfalls viel öfter, als man im anfänglichen Gefühlschaos vermutet, wenn man noch von Wut, Trauer, Kränkung, Rachegelüsten oder dergleichen durchgerüttelt wird. Ich kenne mich da persönlich mit aus! Es fühlte sich am Anfang überhaupt nicht gut an, und allzu hoffnungsfroh war ich nicht. Aber es wurde besser.

In kniffligen Situationen fachlichen Rat suchen

Mit Kindern trennt es sich nicht so einfach. Warten manche Eltern deshalb vielleicht zu lange mit diesem Schritt?
Ich glaube, es gibt beides: Eltern, die sich zu lange miteinander herumquälen, ohne dass es ihren Kindern noch etwas bringt, weil die Atmosphäre zu Hause längst vergiftet ist, und auch Eltern, die zu schnell aufgeben. Ich bin ein grosser Freund davon, sich in kniffligen Situationen fachlichen Rat zu suchen. Der Weg zu einem Paar-Therapeuten oder in eine Beratungsstelle ist oft wenigstens einen Versuch wert.

Gibt es ein „ideales Trennungsalter“ bei Kindern? Ist es für sehr kleine Kinder z.B. „einfacher“?
Das sehe ich nicht so. Es ist unterschiedlich, wie Kinder in verschiedenen Altersstufen reagieren – aber generell leichter oder schwerer würde ich nicht sagen. Das Baby bekommt noch nicht bewusst mit, dass seine Eltern sich getrennt haben, aber die Auseinandersetzung mit dem Thema wird später doch noch auf das Kind zukommen. Und je nach Aufruhr bei seinen Eltern spürt auch das Baby oder Kleinstkind schon die Veränderung und ist irritiert und selbst vielleicht unruhig oder zeigt Symptome.

Und ältere Kinder?
Der pubertierende Jugendliche ist zwar einerseits auf Abgrenzungskurs, aber plötzlich das sichere häusliche Nest nicht mehr zu haben, ist in dieser Umbruchzeit eine zusätzliche Verunsicherung, die manche aus der Bahn wirft. Und selbst bereits erwachsene Kinder leiden unter der Trennung ihrer Eltern.

Eltern Trennung mit Kindern Symbolbild

Positiv: Eltern, die sich einig sind

Wie alt waren ihre eigenen Kinder bei der Trennung?
Meine Kinder waren sechs und knapp zwei Jahre alt. Um den Älteren hatte ich mir die grösseren Sorgen gemacht, weil er so einen besonderen Bezug zu seinem Vater hatte, für uns als Eltern aber klar war, dass er mit seinem Bruder bei mir leben würde. Überraschender Weise hat er die Veränderungen nach der Trennung aber sehr gut akzeptiert. Dabei hat sicher geholfen, dass wir als Eltern uns einig waren. Was ihm das bedeutet hat, haben wir viel später sogar in einer rührenden Dankes-Rede bei seiner Hochzeit erfahren.

Und der jüngere Sohn?
Er war mehr auf mich bezogen, so dass für ihn die Veränderung weniger gravierend war. Trotzdem hat er reagiert: Nachdem er bis dahin schon länger regelmässig in seinem Bett durchgeschlafen hatte, kam er anschliessend viele Monate lang nachts zu mir ins Bett. Das schlich sich dann nach und nach wieder aus.

Was sind die drei wichtigsten Zutaten, die es braucht damit Kinder nicht zu sehr unter der Trennung leiden?
Jede Familie ist anders, und daher brauchen auch nicht alle exakt das Gleiche, um gut aus der Krise herauszukommen. Aber ich nenne hier mal drei «Zutaten», die ich empfehlen kann. Kinder sollten nach der Trennung weiter beide Eltern lieben dürfen. Das klingt nach einer Selbstverständlichkeit, ist aber nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick aussieht.

Kinder sollten nach der Trennung weiter beide Eltern lieben dürfen.

Warum?
Kinder sind in der Regel darum bemüht, dass es ihren Eltern gut geht. Und daher trauen sie sich nicht immer, ihnen zu zeigen, wie sehr sie den anderen mögen und vermissen. Wenn Mama offensichtlich sauer ist auf Papa, oder wenn Papa immer so traurig guckt, wenn man die Mama erwähnt, dann scheint es besser zu sein, man geht dem Thema aus dem Weg. Das ist ein häufiger Hintergrund für Missverständnisse. Beide Eltern erhalten dadurch ein falsches Bild von den Wünschen und Bedürfnissen ihrer Kinder.

Was hilft?
Trennungs-Kindern hilft die Zustimmung ihrer Eltern, den jeweils anderen weiter liebhaben zu dürfen. Und diese Zustimmung sollte einigermassen überzeugend daherkommen. Es reicht nicht, eine Erlaubnis auszusprechen, wenn die ganze Ausstrahlung des Elternteils gleichzeitig vermittelt, dass er oder sie furchtbar leiden wird, wenn das Kind mehr Zeit mit dem anderen verbringen würde.

Hilfe von einem Berater oder Mediator

Was ist noch wichtig?
Als Eltern miteinander im Gespräch zu bleiben, ist eine weitere sehr empfehlenswerte Zutat. Wenn stattdessen die Kinder Informationen hin und hertragen müssen, laufen sie Gefahr, dass sie dabei zwischen die Fronten geraten. Es kann anfangs sehr schwer fallen, miteinander zu reden, wenn jedes Mal noch nicht verheilte Wunden wieder aufbrechen. Dann lohnt es sich unbedingt, Hilfe in Anspruch zu nehmen durch einen Berater oder Mediator.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Wunden auch heilen können, das dauert nur meistens seine Zeit. Wahrscheinlich wird es irgendwann wieder leichter werden, mit dem anderen auszukommen – bis hin zu der Möglichkeit, dass man sich eines Tages sogar freut, den Ex-Partner wieder zu treffen.

Und zuletzt?
Ich wünsche mir für Kinder in Trennungssituationen, dass ihre Eltern weiterhin die Verantwortung für sie tragen. Ich plädiere dafür, dass erstmal die Eltern bei einer Trennung überlegen, wie es weitergehen kann und anschliessend mit den Kindern besprechen, was sie geplant haben. Deren Wünsche können und sollen dann natürlich auch noch angehört und berücksichtigt werden. Es ist ein wichtiges Signal für die Kinder, wenn sie erleben können: Meine Eltern sind noch beide für mich da und arbeiten nicht ab jetzt irgendwie gegeneinander. Das ist ein Halt in der verunsichernden neuen Lage.

Nicht in allen Fällen ist gemeinsame Elternschaft möglich.

Als erstes die Kinder vor die Frage zu stellen, bei wem sie künftig leben wollen, bringt sie dagegen in Loyalitäts-Konflikte. Auch wenn ich mich für gemeinsame Elternschaft einsetze, weiss ich aus meiner Erfahrung allerdings auch, dass es nicht in allen Fällen möglich ist. Manchmal entzieht sich ein Elternteil, ohne dass er herausgedrängt wurde, oder ist vorübergehend oder längerfristig nicht in der Lage, die Verantwortung für die Kinder mit zu übernehmen. Dann muss es eben einer allein machen – und dann ist gerade das die bestmögliche Lösung fürs Kind.

Was sind die grössten Konflikt-Themen wenn sich Eltern trennen und wie können sie diese lösen?
Da gibt es unbegrenzte Möglichkeiten. 36 Jahre beim Familiengericht haben mich davon überzeugt, dass man sich um fast alles streiten kann, wenn man einmal auf Konfrontationskurs ist. Ein Klassiker sind die Erziehungsstile, unterschiedliche Einschätzungen der Eltern, was für das Kind gut ist oder nicht.

Residenz-Modell als häufigste Lösung

…und wer das Kind wann sehen darf.
Wenn beide gern viel Zeit mit den Kindern verbringen wollen, bietet die zeitliche Aufteilung in der Tat reichlich Gelegenheit zu Auseinandersetzungen und Frustration. Wer hat wie viel Zeit mit dem Kind, wer bekommt es zu Heiligabend, wer an Silvester, und wie soll es mit dem Geburtstag aussehen? Erfolgversprechender als eine Schlammschlacht bei Gericht, mit Anwaltsschreiben, die darlegen, warum der andere Elternteil einfach unmöglich ist, ist sicherlich Beratung oder Mediation.

So muss man nicht zwingend vor Gericht…
Es gibt durchaus Fälle, in denen eine gerichtliche Klärung notwendig ist. Auch die kann man übrigens zivilisiert durchführen. Es gibt wirklich gute Familienanwälte, die nicht auf Eskalation aus sind.

Für welches Betreuungs-Modell entscheiden sich die meisten Eltern nach der Trennung und wovon hängt das ab?
Immer noch ist das Residenz-Modell die am häufigsten gewählte Betreuungs-Lösung. Dabei hat das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil und mehr oder weniger ausgedehnten «Umgang» mit dem anderen. Zu Zeiten, als die Hausfrauenehe noch das gängige Familienmodell war, hat das sehr viel Sinn gemacht, denn es war normalerweise die Fortsetzung von dem, was die Kinder gewöhnt waren: Mama ist zu Hause und kümmert sich um uns, Papa kommt mehr in der Freizeit vor.

Es gibt nicht das eine für alle ideale Modell.

Inzwischen sieht die Lebensrealität von Familien oft anders aus.
Genau. Eltern teilen sich mehr als früher die Betreuung ihrer Kinder, wenn es auch meistens keine genau hälftige Aufteilung ist. Entsprechend gibt es inzwischen mehr Eltern, die sich nach der Trennung für ein Wechsel-Modell, auch Doppel-Residenz beziehungsweise in der Schweiz alternierende Obhut genannt entscheiden, und ich gehe davon aus, dass das Interesse an dieser Lösung zunehmen wird.

Und das bedeutet?
Es heisst nicht zwingend, dass das Kind zum Beispiel wochenweise zwischen seinen Eltern wechselt. Man kann schon ab einer Aufteilung von mindestens 30:70 von einem Wechsel-Modell sprechen, wenn das Kind bei beiden Eltern ein Zuhause hat und mit beiden Alltag teilt. Die Diskussion über Betreuungs-Modelle wird leider arg polarisierend und ideologisch geführt, das finde ich gar nicht nützlich. Es gibt nicht das eine für alle ideale Modell. Es kommt auf den Einzelfall an, auf die Möglichkeiten der Eltern und die Bedürfnisse des Kindes.

„Geht es gerade wirklich um das Kind?“

Selbst wenn eine Statistik besagt, dass etwas mehr Kinder im Wechsel-Modell besser gedeihen, heisst das gleichzeitig, dass das für einen anderen Teil aber nicht gilt. Es kommt darauf an, was für das jeweilige Kind passt. Viele getrennte Eltern streiten sich nach der Trennung oft darüber, wer die Kinder wann haben darf (Ferien, Feiertage) oder was die Kinder bei wem dürfen und was nicht.

Was hilft bei solchen Konflikten?
Miteinander reden, dem anderen dabei auch zuhören und Kompromiss-Fähigkeit üben. Und sich darüber klar werden, vielleicht sogar in einer eigenen Beratung, welche Motive bei einem selbst dahinterstehen. Geht es gerade wirklich um mein Kind? Ist das, was mir gerade so wichtig scheint, alternativlos? Oder will ich vielleicht eher dem anderen eins auswischen, wenn ich mal ganz ehrlich bei mir nachschaue?

Sie waren 36 Jahre lang als Gutachterin an Familiengerichten tätig. Welche Aufgaben umfasste diese Tätigkeit?
Ich wurde von Familiengerichten vor allem dann hinzugezogen, wenn Eltern sich anhaltend um Sorgerecht oder Umgangsrecht gestritten haben. Während zu Beginn meiner Tätigkeit der Gutachter herausfinden sollte, was aus seiner Sicht jetzt die beste Entscheidung für die Kinder wäre, hat es sich – wie ich finde glücklicherweise – immer mehr dahin verschoben, dass man «lösungsorientiert» arbeiten durfte oder später sogar sollte. Im günstigsten Fall endete die Begutachtung dann mit einer Eltern-Vereinbarung, die gemeinsam erarbeitet worden war.

Ich kann auch schon mal über mich selbst lachen.

Was haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen?
Das füllt ein Buch! Einiges davon steht in meinen Antworten hier.

Eltern bleiben nach der Trennung
Klick auf das Buch-Cover um es zu kaufen.

Haben Sie sich mit diesem Erfahrungs-Hintergrund bei Ihrer eigenen Trennung leichter oder schwerer getan?
Es war auf jeden Fall leichter, die Bedürfnisse der Kinder im Blick zu behalten, weil ich da so viel drüber wusste. Dagegen war es schwerer, mir vorzumachen, dass ich die einzig Gute in der Familie bin, die natürlich mit allem Recht hat. Ich würde sagen, es war etwas leichter für mich, mir selbst auf die Schliche zu kommen. Ausser meiner Ausbildung und Berufserfahrung hat mir dabei mein Sinn für Humor geholfen. Ich kann auch schon mal über mich lachen. Das hilft ungemein. Ich kann das wirklich empfehlen.

Vielen Dank für das tolle Interview! 

Eltern bleiben nach der Trennung“ ist 2020 erschienen im Verlag Knaur.

Weiterlesen Familienthemen

Hat Dir mein Beitrag gefallen und möchtest Du ihn Dir für später speichern? Dann merke ihn Dir doch gerne auf Pinterest: 

Eltern bleiben nach der Trennun Pin-Grafik

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert