Aufklärung Kinder

„Sexualität und Körper sollten einfach Themen unter vielen sein“

„Wie kläre ich mein Kind auf?“ Eine der Fragen, die Eltern am meisten beschäftigt. Viele warten lange auf den „richtigen Zeitpunkt“. Und die meisten Eltern besorgen sich irgendwann Bücher über Aufklärung, die das Thema „kindgerecht“ darstellen. Eine bekannte Autorin solcher Bücher ist Dagmar Geisler. Ich durfte sie interviewen.

Mein Körper gehört mir“ ist schon vor einer ganzen Weile in unser Bücher-Regal gezogen. Es hat zwar nicht direkt mit Aufklärung zu tun, behandelt aber dennoch ein wichtiges Thema, nämlich, Prävention. Es geht darum, dass Kinder selber über ihren Kinder bestimmen dürfen, es also nicht dulden müssen, wenn z.B. die Tante ein Küsschen geben will etc. So bin ich auf Dagmar Geisler aufmerksam geworden…

Mama mal 3: Woher kommt Ihr Interesse für die Themen Aufklärung, Pubertät, sozial-emotionale Entwicklung und Prävention?
Dagmar Geisler: Nachdem ich das erste Buch in diesem Themenkreis gemacht hatte, (das war «Mein Körper gehört mir!» in Zusammenarbeit mit pro familia) haben mich diese Themen nicht mehr losgelassen. Vielleicht weil ich schon als Jugendliche viel Interesse an sozialen Themen und Psychologie hatte. Letztlich hat sich beim Berufswunsch dann die künstlerische Ader durchgesetzt. Nun kann ich beides verbinden.

Wann soll ich mein Kind aufklären? 

Was ist Ihre Inspirationsquelle für diese Bücher/Themen?
Eine wichtige Inspirationsquelle ist die Erinnerung an die Gefühlswelten in der eigenen Kindheit. Wenn mir heute Themen begegnen, die ich gern bearbeiten möchte, überlege ich mir immer, welche Fragen ein Kind dazu hätte.

Welches ist der ideale Zeitpunkt um sein Kind aufzuklären?
Am liebsten wäre es mir, wenn das Wort «Aufklärung» in diesem Zusammenhang gar nicht mehr nötig wäre. Mein Wunsch ist, dass die Themen Körper und Sexualität einfach Themen unter vielen anderen sind und es auf die damit zusammenhängenden Fragen jederzeit Antworten geben kann. Für mich ist es wichtig, eine Atmosphäre zu schaffen, in der das Kind spürt, dass es mit jeder Frage und jedem Thema ankommen kann.

Warten Ihrer Meinung nach die Eltern zu lange damit und wenn ja, warum?
Ich denke schon, dass manche Eltern zu lange damit warten. Dieses Thema ist so lange mit Scham- und Schuldgefühlen in Verbindung gebracht worden, dass es bei vielen eine Hemmschwelle gibt, darüber zu sprechen. Manche Eltern wollen ihr Kind auch möglichst lange vor diesen Themen «verschonen». Das finde ich problematisch.

Dem Kind zeigen, dass es eine offene Gesprächsatmosphäre gibt

Denn Kinder werden heute sehr früh mit sexuellen Inhalten aller Art konfrontiert. Das finde ich es besser, wenn sie schon einmal in liebe- und respektvoller Weise davon gehört haben, bevor sie von irgendeiner Seite, die weniger schönen Seiten präsentiert bekommen.

Die Dinge beim Namen nennen

Wie geht man am besten vor wenn man sein Kind aufklären möchte?
Ich fände es wünschenswert, wenn Erwachsenen sich erst einmal selbst mit der oben genannten Hemmschwelle auseinandersetzen, sich also fragen wie sie selbst dazu stehen. Ich gebe auch immer den Tipp, dass sich Eltern oder andere Erziehungsberechtigte Aufklärungsbücher für Kinder einmal gegenseitig vorlesen, um dann im Umgang mit dem Kind ein wenig Lockerheit zu haben.

Wobei Lockerheit in dem Zusammenhang nicht heißt, dass man so tut, als gäbe es diese Hemmschwellen nicht. Wer auch da offen drüber sprechen kann, zeigt dem Kind, dass eine offene Gesprächsatmosphäre gibt, auf die es sich verlassen kann.

Was für ein Vokabular empfiehlt sich um die Dinge „beim Namen“ zu nennen?
Ich würde die derzeit üblichen Bezeichnungen für – um ein Beispiel zu nennen –  die Geschlechtsteile verwenden. Also Penis, Hoden, Hodensack, Vulva, Vagina und Klitoris. Trotzdem würde ich mich mit den vielen anderen Bezeichnungen zumindest auseinandersetzen, um entspannt bleiben zu können, wenn das Kind mit Wörtern daher kommt, die mir vielleicht nicht so gefallen.

Aufklärung und Prävention

Sie haben diverse Bücher über Aufklärung und Prävention illustriert und geschrieben (und damit auch schon Preise gewonnen). Sollten Eltern diese Bücher gemeinsam mit ihren Kindern ansehen?
Wenn ich diese Bücher mache, gehe ich immer davon aus, dass Eltern oder Erzieher sie zumindest einmal gemeinsam mit den Kindern anschauen. Ich baue die Geschichten immer so auf, dass viel Raum für Gespräche und Fragen bleibt.

Gibt es viel Feedback von Jugendlichen und Eltern zu ihren Büchern und wenn ja, was bekommen Sie oft zu hören?
Es gibt zum Glück eine Menge positives Feedback. Das freut mich immer sehr. Und in Veranstaltungen mit Erwachsenen oder Jugendlichen bekomme ich oft Fragen gestellt. Da geht es oft darum, wie verunsichert sich viele Erwachsene mit dem Thema «Aufklärung» fühlen. Wie kann ich mein Kind schützen?

Wie kann ich mich einem Kind nähern, ohne selbst übergriffig zu sein oder zu wirken? Diese Ängste führen manchmal dazu, dass man dieses Thema ganz von den Kindern fernhalten möchte. Wir diskutieren dann darüber, warum ich es trotzdem wichtig finde, mit Kindern darüber zu sprechen.

Sie haben einen Sohn. Wie steht er zu Ihrer Arbeit?
Mein Sohn hat einmal gesagt, er habe es gut gefunden, dass ich durch meine Arbeit meistens daheim und ansprechbar gewesen bin und er gleichzeitig ein Gefühl von Freiheit hatte, weil ich ja beschäftigt war.

Ich lese immer noch gerne Kinderbücher.

Wie haben Sie damals das Schreiben/Illustrieren mit Kind & Familie organisiert?
Durch das zu Hause arbeiten kann man sich die Zeit ja einteilen. Als mein Sohn klein war, hat auch sein Vater viel daheim gearbeitet. Da konnten wir und abwechseln.

Woran arbeiten Sie aktuell (sofern sie noch nicht pensioniert sind)?
Ich habe gerade ein Buch über Linkshändigkeit, das ich zusammen mit Stephanie Gerharz gemacht habe abgeschlossen und arbeite jetzt an einem Titel für die Grundschule zum Thema «Stress».

Lesen Sie selber auch gerne? Wenn ja, was?
Ich lese sehr gerne und auch alles Mögliche. Manchmal brauche ich Nahrung für den Geist und manchmal lese ich zum puren Vergnügen Romane. Außerdem lese ich immer noch gerne Kinderbücher. Ich liebe die Geschichten aus dem Mumintal von Tove Jansson und alle anderen Bücher mit Herz und Verstand.

Herzlichen Dank für das Interview! 

Aufklärung damals und heute – von Bravo & Co.

Ich muss zugeben, dass wir das Thema Aufklärung bei unseren Kindern etwas schleifen lassen haben. Sie haben bisher auch nie gefragt, ich vermute aber, dass der Grosse auf dem Schulhof sicher schon das eine oder andere aufgeschnappt hat. So war das bei mir damals auch und meine Eltern haben entsprechend noch Bücher besorgt, die ich mir alleine angeschaut habe.

Den Rest haben später Bravo und der Bio-Unterricht an der weiterführenden Schule übernommen. Hand hoch, bei wem das damals genau so war? Dr. Sommer und Co. scheinen bei den heutigen Jugendlichen aber nicht mehr so in zu sein. Kein Wunder, die halten sich ja vermehrt vor PCs und an Game-Konsolen auf… 

Ich habe tatsächlich den Eindruck, dass Eltern heute viel früher und ungezwungener an das Thema herangehen. So gibt es auch schon Bücher, die sich an kleinere Kinder richten. In der Bibliothek fand ich da aber nur die spezifischen „Körper“- oder Geschwisterchen-Bücher. Und dann erst wieder Bücher für Jugendliche (ca. 14 Jahre), die schon sehr explizit waren, für unsere also noch nicht geeignet. 

Deshalb habe ich hier für Euch ein paar heraus gepickt, die mir auch von Followern empfohlen wurden. Wenn Ihr weitere Tipps habt, ergänzt die gerne in den Kommentaren. 

Empfehlenswerte Bücher für Kinder zum Thema Aufklärung

Von Dagmar Geisler und weiteren Autoren…

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