Kindern mehr zutrauen - Michaeleen Doucleff

Kindererziehung – was wir von indigenen Kulturen lernen können

„Kindern mehr zutrauen – Erziehungsgeheimnisse indigener Kulturen von Michaeleen Doucleff sprach mich sofort an. Schliesslich leben diese Kulturen in vielem noch artgerechter als wir und da ich bereits Jean Liedloff’s „Auf der Suche nach dem verlorenen Glück“ verschlungen habe, war ich sehr neugierig, mehr zu erfahren.

Doucleff, eine amerikanische Journalistin, reiste mit ihrer kleinen Tochter Rosie, die sie immer wieder fast in den Wahnsinn treibt, zu den Maya, den Inuit und den Hadza, um mehr über die Erziehungsgeheimnisse dieser Kulturen zu erfahren.

Sie lebt jeweils eine Weile bei Familien, bestreitet gemeinsam mit ihnen den Alltag und interviewt sie. Dabei fällt Ihr vor allem eines auf: selbst die Kleinsten tragen schon aktiv und von sich aus zum Wohle der Familie oder der Gemeinschaft bei und das oft, ohne überhaupt gefragt zu werden.

Kinder sind unabhängig, aber hilfsbereit

Kinder haben den angeborenen Wunsch, ihren Eltern zu helfen (…) und kommen mit dem Bedürfnis auf die Welt, zur Familie zu gehören, und den Platz in dieser Gruppe verdienen sie sich mit Helfen“, so Doucleff.

Die Kinder sind früh schon sehr unabhängig und frei, verlieren aber nie das grosse Ganze aus den Augen. Unweigerlich fällt der Autorin auf, wie „eigenartig“ westliche Familien sich verhalten, und findet auch schnell den Grund dafür: die Erschaffung der Kernfamilie. Keine neuartige Entdeckung indes, dass uns das „Dorf“, das es für die Kindererziehung braucht, längst fehlt.

Schreien wir Kinder an, erziehen wir sie dazu, nicht zuzuhören.

Auf uns allein gestellt, sind uns im Laufe der Jahre die Erziehungsweisheiten von früher verloren gegangen, die Doucleff auf ihren Reisen nun neu erfahren durfte. Sie lernte, dass Inuit-Eltern niemals laut werden und ihre Gefühle immer sehr gut im Griff haben: „Schreien wir Kinder an, erziehen wir sie dazu, nicht zuzuhören.“ Ist eins der wertvollen Prinzipien aus ihrem Buch.

Ruhig und freundlich zu reagieren, ist die beste Variante, um dem Kind zu helfen, seine Gefühle kontrollieren zu lernen. Am Ende jedes Kapitels listet Doucleff auf einen Blick die verschiedenen Erziehungs-„Werkzeuge“ auf, denen sie während ihres Aufenthalts bei einer Kultur, begegnet ist.

Erziehungs-Werkzeuge indigener Kulturen

So kann man diese direkt selber zuhause ausprobieren… Ein Querschnitt über die Tipps:

  • Kinder von Anfang an helfen lassen (nicht davon abhalten), kleine, einfach zu erfüllende Aufgaben geben.
  • Kind-zentrierte Aufgaben minimieren oder streichen. Das sind Aktivitäten, die Eltern ausschliesslich um des Kindes willen unternehmen. Lieber das Kind an der Welt der Erwachsenen teilhaben lassen.
  • Weniger ist mehr: Spielzeug bis auf ein paar wenige Dinge mit denen das Kind regelmässig spielt, aussortieren. Das sorgt für mehr Platz und auch Zeit (die man nicht mit Aufräumen zubringen muss).
  • Keinesfalls sollte die Rolle der Eltern darin bestehen, ihr Kind zu unterhalten. Man kann aber durchaus erwarten, dass das Kind bei alltäglichen Aufgaben hilft. Dabei sollte das Kind weder ständig korrigiert noch überschwänglich gelobt werden. „Wenn, dann loben Sie es für das Erlernen eines übergeordneten Wertes („Du bist schon sehr hilfsbereit“) oder für seine Reife („Du bist wirklich schon ein grosses Mädchen/grosser Junge“).
  • Westliche Eltern reden viel zu viel, was, gerade bei Wutausbrüchen, kaum ankommt beim Kind. Viel besser ist es hier, ruhig zu bleiben, mit Blicken zu „sprechen“, das Kind sanft zu berühren, es vielleicht mit an die frische Luft zu nehmen.
  • Bei „Fehlverhalten“ hilft es auch oft, einfach eine Frage zu stellen, die zum Nachdenken anregt, die Konsequenzen aufzuzeigen („Die Mauer ist hoch, Du könntest herunterfallen und Dir weh tun“) oder mit Geschichten (echten oder erfundenen) zu arbeiten.

Ich fand sowohl die mutige Geschichte der Autorin, die mit ihrer Tochter einfach so herum reiste und ihre Komfortzone(n) verliess, äusserst spannend und inspirierend (und die Lektüre floss nur so) als auch die Erziehungs-Tipps, die sie auf diese Weise sammelte und weiter gibt.

Nicht alles 1:1 übernehmen

Einiges davon habe ich tatsächlich selber ausprobiert und konnte es durchaus mit Erfolg umsetzen. Wie bei allen „Ratgebern“ ist es aber auch hier dem Leser überlassen, was er von all dem mitnimmt und in seinen Alltag integrieren möchte.

Denn Fakt ist: wir leben hier oft komplett anders als die indigenen Völker und so können wir auch einfach nicht alles 1:1 übernehmen. Und während die im Buch dargestellten Familien auch in grösseren Verbunden leben und sich gegenseitig unterstützen, fehlt unsereins diese „Sippe“ grösstenteils.

Trotzdem denke ich, dass uns „Kindern mehr zutrauen“ einiges aufzeigen kann, was bei uns verbesserungswürdig wäre und kann die Lektüre nur jedem empfehlen, der einmal über den eigenen Tellerrand hinaus schauen und seinen Alltag mit Kind mit ein paar wenigen „Korrekturen“ entlasten möchte…

Hier erhält Ihr „Kindern mehr zutrauen“ von Michaeleen Doucleff:

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