Clinch

Ohne Talent, aber mit viel Leidenschaft

Ich wurde schon vor einer Weile gebeten, zu erklären, weshalb ich dem Kampfsport so verfallen bin. Und darüber wollte ich auch schon länger schreiben, denn es ist tatsächlich seit meinem 16. Lebensjahr nach meiner Familie das Wichtigste in meinem Leben.

Das mag jetzt krass klingen, ist aber so. Weil es einfach sehr viel Spass macht, mich ablenkt und ausgleicht vom Alltagsstress, mich fit hält und auspowern lässt. Ich. Brauche. Das. So. Sehr!

Und im Gegensatz zu anderen sportlichen Aktivitäten ist es eben ein Workout, dem man nicht unbedingt anmerkt, dass man sich jetzt verausgabt. Denn sobald man mitten drin steckt, funktioniert man einfach.

Kontrolliertes Kämpfen

Thaiboxen Liechtenstein Man versucht zu „überleben“ oder die Oberhand zu gewinnen. Natürlich ist man nicht wirklich in Lebensgefahr. Es ist alles sehr kontrolliert und mehr als ein paar blaue Flecken, Striemen oder Mattenbrand trägt man selten davon.

Zumindest blieb ich bis jetzt vor grösseren Verletzungen verschont. Aber es ist auch nicht so, dass wir uns mit Samthandschuhen anfassen würden…

Begonnen habe ich wie bereits erwähnt mit 16. Ich war davor in einer langweiligen Frauen-Turnriege, bin schon im Jazz Dance talentfrei gescheitert und hatte keinerlei sportlichen Ambitionen bei nicht gerade schlankem Auftreten.

Im Jazz Dance fühlte ich mich entsprechend wie ein Nilpferd auf dem Glatteis, von meiner Unfähigkeit, mir Choreographien zu merken, ganz zu schweigen. Ich liebäugelte mit Basketball (war aber zu klein) und Unihockey, aber, hmm…

Das Karate machte mich fit

Frau im Karate-Gi
Foto von 2015…

Recht spät also kam meine Mutter auf die Idee, mich zum Schnuppern nach nebenan(!) in der Turnhalle ins Karate zu schicken. Im Ernst: ich musste einmal umfallen und war da! Ich schaute zu und war sofort fasziniert und wollte mich auch in dieses weisse Gewand (den Gi) kleiden.

Gesagt getan und bald besuchte ich 3x in der Woche das Training und absolvierte fleissig die Gürtelprüfungen, besuchte Seminare und Lager mit Dozenten aus Japan.

Das Kyokushinkai Karate gefiel mir super. Die Kata waren schön (auch eine Art Choreographie, was immer schwierig blieb für mich) und im Kumite (Kampf) konnte ich mich verausgaben. Ich wurde endlich fit und hatte sowas wie eine Kondition.

Braungurt und dann schwanger…

Kampfsport mit Gi: Jiu Jitsu Auch während des Studiums versuchte ich, dran zu bleiben und absolvierte noch den 1. Braungurt (2. Kyu) bevor ich schwanger wurde. Da war dann eine ganze Weile Pause. Unterdessen wohnte ich etwas weiter weg und die Trainings fanden recht spät statt. Es war auch immer die Zubettbring-Zeit der Maus.

Als ich endlich wieder einsteigen konnte weil der Papa sie auch gut zu Bett bringen konnte, war Nr. 3 unterwegs. Ich hatte zu sehr Angst, dass die ruckartigen Fusstritte nicht gut sein könnten für meinen Uterus, dass ich gleich wieder pausierte.

Da hatte ich parallel schon in meinem aktuellen Gym rein geschnuppert und dort mit BJJ (Brazilian Jiu Jitsu), Thai- und Fitnessboxen begonnen. Das Sparring liess ich dort aus, den Rest machte ich bis zum 3. Trimester noch halbwegs, aber reduziert mit.

Talentfreie Grobmotorikerin

Brazilian Jiu Jitsu Drills Ins Karate bin ich bis jetzt nicht zurückgekehrt. Nicht, weil ich nicht gerne würde, sondern weil mir die Trainings immer noch zu spät, zu weit weg und zu lang sind. Zudem bietet mein aktuelles Gym an 6 Tagen die Woche mehrere Lektionen an. Ich bin also sehr flexibel, auch wenn ich eigentlich meine festen Trainings(zeiten) habe, zu denen ich hin gehe.

War ich im Karate eine der Jüngsten, bin ich aktuell aber leider eher Team „alte Mutti“. Dazu kann ich natürlich nicht so oft trainieren wie die anderen im Gym, die teilweise fast dort wohnen. 😉 Plus fehlen mir Talent, Kraft und Ausdauer. Ach ja, und weil ich ein Grobmotoriker bin, schnalle ich die komplizierten Techniken oft lange nicht.

Im Gegensatz zum Karate oder Thaiboxen, das einfach ein paar Schläge und Fusstritte beinhaltet, die man irgendwann halbwegs beherrscht (wenn auch nicht perfekt), braucht es schon ein wenig mehr, um am Boden erfolgreich zu sein.

Trainieren so oft wie möglich

Luta Livre Es gibt hier natürlich auch Technik X und Y, aber der Wege dahin sind viele… Mir fehlt dafür die Erfahrung, da wir immer nur recht kurz „rollen“, also Sparring am Boden machen. 1,5h Training wären effektiver, schätze ich.

Ja, und deswegen, so vermute ich, werde ich von einigen im Gym nicht immer ganz ernst genommen… 1. Frau, 2. talentfrei, 3. nicht jung und hübsch/schlank genug… 😀 Was auch immer…

Mit der Zeit habe ich zwar zu ein paar, die ebenfalls oft da sind, einen guten Draht, und unser Coach ist natürlich ein toller Mensch und sehr geduldig mit mir, aber dennoch gibt es ein paar, bei denen würde ich mich am liebsten in einer Ecke verkriechen weil ich mich schäme…

Aufgeben ist keine Option!

Thaiboxen am Sandsack Vielleicht ist es nur mein Eindruck und so geht es einem ja in vielen Situationen im Leben… Ich bemühe mich auf jeden Fall, fleissig zu trainieren, um mich zu verbessern. Kann ich mehr, erhalte ich vermutlich auch mehr Respekt.

Aber bis ich mehr kann, brauche ich vermutlich 5x so lang wie manch junger Anfänger… Das ist bisweilen wirklich zum Heulen. Und ich bin tatsächlich schon fast heulend raus wenn ich an einem Abend wieder nur „getappt“ habe (Abklopfen, Aufgeben).

Das ist aber Tagesform-bedingt. Ich bin auch schon raus und hielt mich für Superwoman! 😀 Vermutlich waren dann ein paar Anfänger mit dabei… *lol*

Aber ich gebe nicht auf und ich denke, dass macht diesen Sport auch aus. Keiner, der ernsthaft bei uns trainiert (manche ja auch mit Wettkampf-Ambitionen), macht es halbpatzig und kommt nur 1x im Monat. Es sei denn die Umstände erfordern das.

Frauen kämpfen oft aggressiver

Knie- und Beinhebel Alle machen es mit Leidenschaft und Feuer, stehen so oft auf der Matte wie es geht und üben vermutlich auch privat und sei es nur indem sie sich zahlreiche YouTube-Videos reinziehen… 😉

Dass es ein Männer-Sport ist, merkt man, wenn man sich unsere Gruppenbilder ansieht. Meist sind nicht mehr als 2-3 Frauen mit drauf. Mich stört das nicht, im Gegenteil. Wenn ich mich mit anderen Frauen auch noch messen müsste, würde ich definitiv den Kürzeren ziehen.

Zudem sind die wenigen Frauen, die ich bisher im Kampfsport erlebt habe, meist um einiges aggressiver als die Männer. Die Männer nehmen meist ein Stück weit Rücksicht (nicht alle), die Frauen glauben wohl, dass sie alles geben müssen. Oder sehen es als Bitchfight… 😛

Und deswegen verstehen wohl die meisten meiner Leser nicht, was ich in diesem „Prügel-Sport“ verloren habe. Ja, auch mein Umfeld wundert sich über die vielen blauen Flecken und denkt, ich sei masochistisch veranlagt. Nein, bin ich nicht… 😉

Kampfsport sorgt für Endorphine

Boxsack Es macht mir einfach, wie schon geschrieben, irrsinnig viel Spass, mich mit den anderen zu messen, zu lernen, mich zu verbessern, mich zu verausgaben, mal alles um mich herum auszuschalten. Ich fühle mich extrem lebendig.

Das ist ja kein Gefühl, das dem Kampfsport vorbehalten ist. Sport sorgt für Endorphine, das kennen alle – vom Läufer bis zum Gewichtheber. Egal, was für eine Sportart Ihr macht. Aber alleine im Studio an irgendwelchen Maschinen zu trainieren oder alleine durch die Gegend zu laufen, war noch nie meins. Es gurkte mich an.

Und andere Mannschaftssportarten haben mich bisher auch nur mässig begeistert. Die können einfach nicht mithalten mit dem Kampf am Boden, bei dem man immer wieder dazu lernt und der jedes Mal anders verläuft… Ist wie Schach spielen. 

Ein inkognito Turnier wäre mal was

Und weiter? Ich hoffe, diesen Sport noch laaange ausüben zu dürfen/können und fitter/besser zu werden. Irgendwann starte ich dann in der UFC durch. Spaaass! Aber ich würde mich wirklich sehr gerne mal an einem kleinen(!) (Club-)Turnier messen. Einfach, um zu wissen, wo ich stehe.

Am besten inkognito. Ohne, dass mich jemand anders aus unserem Gym sieht. Falls ich verliere. Wäre mir sonst unendlich peinlich. Vor Publikum zu kämpfen oder Kata zu laufen, das hab‘ ich früher vielleicht 2-3x gemacht, aber vor Nervosität so gezittert und gewackelt, dass ich kaum Punkte bekam… 😛 Ihr wisst, wie introvertiert ich bin!

Aber einmal raus aus der Komfortzone bevor ich altersmässig zerfalle, das wäre mal ein Ziel… Von einem grossen Auftritt mit Walk-In-Song und Sieges-Fahnen träume ich dann einfach nachts und schaue anderen dabei zu, die den Sport besser beherrschen als ich… 😛

Foto Credits: Berserker Martial Arts | privat | Gianessa Ratazzi

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1 comment
  1. […] Kampfsport liebe und trainiere ich schon seit dem 16. Lebensjahr. Aber ich merke auch, dass die Verletzungsgefahr nicht weniger wird. Und während der Pandemie fiel das Training leider lange aus. […]

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