Der Elternkompass von Nicola Schmidt

„Was ist wirklich gut für mein Kind?“

Der Elternkompass“ ist das neuste Werk von Autorin und artgerecht-Gründerin Nicola Schmidt. In ihm belegt sie, was viele von uns schon instinktiv wussten und taten, mit wissenschaftlichen Studien. Z.B. dass man Babys nicht schreien lassen sollte und das Stillen, Tragen etc. gut für die Bindung und die kindliche Entwicklung sind.

Ja, dieses Werk bestätigt, wofür bindungs- und bedürfnisorientierte Eltern sich noch heute oft erklären müssen. Weil man es früher eben anders gemacht hat und „trotzdem gross wurde“. Es stellt sich natürlich auch heraus, dass weder langes Stillen, noch tragen oder windelfrei „neumodisches Zeugs“ sind, sondern im Gegenteil seit Anbeginn der Menschheit praktiziert wurden.

Studien richtig interpretieren

Mir gefällt aber, dass Nicola als Wissenschaftsjournalistin uns mit dem Eltern Kompass mitnimmt in die Welt der Studien, uns erklärt, worauf wir bei Studien achten müssen um sie richtig zu interpretieren und welche relevant sind wenn es um die oben genannten Themen geht.

Das Buch ist unterteilt in die Kapitel „Schwangerschaft, Geburt und das neue Leben“, „Kleinkinder – wenn das Leben laufen lernt“ und „Schulkindalter – wie Kinder für’s Leben lernen“. Alle Themen und Entwicklungsstufen werden beleuchtet.

Ein bemerkenswertes Zitat finde ich bereits im Prolog:

Wenn wir die Welt verändern wollen, müssen wir bei unseren Kindern anfangen – und bei dem Kind in uns.

Es ist so wahr. Wir versuchen unsere Kinder heute so zu stärken, damit sie für die Zukunft gerüstet sind und im wahrsten Sinne des Wortes die Welt verändern können.

Gleichzeitig sind wir dabei immer wieder mit unserem inneren Kind konfrontiert und müssen uns damit auseinandersetzen – mit den ganzen Erfahrungen und Erlebnissen, die uns geprägt haben. Das ist nicht immer einfach…

Plädoyer für eine stillfreundliche Gesellschaft

Im Kapitel zum Thema Stillen spricht Nicola Schmidt die vielen Still-Mythen an, die es gibt und die leider immer noch oft kursieren. Und auch, dass Stillprobleme ganz oft das Resultat von zu viel Stress sind… Denn Stillen ist nicht angeboren, sondern wird erlernt. Und das braucht Zeit, Ruhe und eine gute Betreuung.

„Wissenschaftlich belegt ist vor allem, dass Stillen unglaublich gesund ist und eine gesunde Mutter und ein gesundes Kind in der Regel am besten wissen, wie oft, wie lange, in welchem Abstand und wie viel sie stillen wollen.“ Und ganz wichtig:

Dies ist kein Plädoyer dafür, dass jede Mutter stillen muss. Es ist ein Plädoyer für eine Gesellschaft, die jede Mutter, die stillen will, unabhängig von ihrem Bildungsstand und Einkommen mit hochqualitativer Betreuung unterstützt. Und zwar nicht aus ideologischen Gründen, sondern aus rein pragmatischen: Die Bevölkerung wird gesünder, und es kostet uns weniger. (…)

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. 

Das Kapitel „Babyschlaf“ dürfte für viele Eltern besonders spannend sein. Das Fazit hier: Nächtliches Aufwachen im Säuglings- und Kleinkindalter ist normal (bei Babys sogar wichtig), aber natürlich auch eine Herausforderung für Eltern.

Eine abendliche Schlafroutine wie z.B. ein warmes Bad oder eine Massage verbessert das Ein- und Durchschlafen.

Trocken werden – meine Rede…

Das Kapitel „Mit und ohne Windeln“ hat mich als Windelfrei-Coach und Befürworterin von früher Einführung des Töpfchens natürlich besonders interessiert und mir bestätigt, dass ich mit meiner „Theorie“ richtig liege.

Kinder werden heute immer später trocken. Der Grund dafür ist vermutlich eine Mischung aus den Super-Absorber-Windeln und Eltern, die lieber abwarten wollen, bis das Kind von sich aus keine Windeln mehr will.

Eine fatale Kombination, denn sie führt nicht nur zu längerem Windeln tragen, sondern in der Konsequenz auch zu mehr Müll und „zunehmenden Zahlen an Blasen- und Nierenbeckenentzündungen schon bei Kleinkindern.“

Beikostfahrpläne als Widerspruch zur Studienlage

Dass Tragen mannigfaltige Vorteile hat, war mir als Trageberaterin natürlich schon bewusst. Ich habe in diesem Beitrag auf Nestwärme selber schon einige Studien dazu zusammengefasst. Lest gerne rein.

So weinen getragene Babys z.B. weniger, werden öfter gestillt und Frühchen entwickeln sich so besser.

Ein immer wieder heiss diskutiertes Thema unter Eltern ist der Beikost-Start. Noch immer wird häufig auf sogenannte Beikostfahrpläne verwiesen, die dazu auffordern, Stillmahlzeiten nach und nach durch Brei zu ersetzen. Ein Widerspruch zur heutigen Studienlage:

„Denn die sagt ganz klar: Ersetzen Sie auf keinen Fall Stillmahlzeiten komplett durch Breimahlzeiten, da die Babys die in der Beikost enthaltenen Nährstoffe und Allergene viel besser verstoffwechseln können, wenn sie gleichzeitig Muttermilch bekommen.“

Es heisst nicht umsonst „food under one ist just for fun“. (Mutter)milch sollte im 1. Lebensjahr die Hauptnahrungsquelle bleiben, denn sie unterstützt das Immunsystem und die Gehirnentwicklung. Also nicht mit 6 Monaten abstillen, sondern so lange weiter stillen wie sich das Still-Paar damit wohl fühlt.

Eltern brauchen Zeitwohlstand

Nicht weniger brisant ist das Thema Kinderbetreuung. Hier das Fazit: Sie sollte „grundsätzlich von hoher Qualität sein: gut ausgebildete Fachkräfte, kleine Gruppen, die Dauer immer dem angepasst, was das Kind leisten kann.“ Im ersten Jahr raten so gut wie alle Fachleute von einer Betreuung der Kinder ab. Hallo, Schweiz, liest Du das!?

„Wenn das Kind so früh betreut werden muss, sollte es möglichst familiennah – also zum Beispiel als einziges Kind bei einer Betreuungsperson – oder zeitlich kurz betreut werden.“ Leider ist das in vielen Situationen absolut utopisch. Was Eltern laut Schmidt also brauchen, ist:

Zeitwohlstand und eine Politik, die nicht nur Tausende Krippenplätze verspricht, sondern für eine hohe Qualität in der Kinderbetreuung sorgt. Erst dann können Kinder und Betreuungspersonen wirklich in Kontakt sein, erst dann ist eine wirkliche Work-Life-Balance möglich, die auch der Entwicklung gesunder kleiner Persönlichkeiten wieder zugute kommt.“

Keine Hausaufgaben, mehr Natur

Als Mutter von zwei Schulkindern war für mich das Kapitel „Wie Kinder lernen“ auch besonders interessant. Hier schreibt Schmidt z.B. über das Streit-Thema Hausaufgaben. Es ist mehrfach erwiesen, dass sie eher schaden als nützen und trotzdem kommen sie heute immer noch in vielen Schulen vor, so auch bei uns.

Und ich fürchte hier würde auch ein „Eltern-Aufstand“ nicht viel bewirken, wenn es doch auf kantonaler oder staatlicher Ebene so vorgeschrieben wird. Die Schule wird generell thematisiert und ob nicht ein freieres Konzept erfolgreicher wäre… Eines vor allem auch, dass viel Zeit in der Natur vorsieht… Denn:

„Kinder, die viel in der Natur sind, verhalten sich vorsichtiger, umsichtiger und kennen ihre Grenzen besser.“

Eine Kindheit, die sitzend und drinnen verbracht werde, sei verknüpft mit psychischen Problemen… Draussen sein stärkt Immunsystem, Kreativität und die Seele.

Deswegen ist es mir so wichtig, dass die Kinder sich auch draussen bewegen, was zwischen Schule, Hobbies und Interessen wie Gamen leider gar nicht mehr so einfach ist… Die Zeiten haben sich geändert.

10 Dinge, die wir unseren Kindern für die Zukunft mitgeben können

Den Kindern wird heute nicht mehr ein so grosser Radius zugestanden wie früher als wir uns stundenlang im ganzen Dorf bewegen durften und gemeinsam Wälder, Wiesen und Quartiere durchforsteten…

Und so werden gegen Ende von „Der Eltern Kompass“ 10 Punkte genannt, die wir uns gerne als Fazit aus diesem Buch merken dürfen:

  • Vertrau darauf, dass Dein Kind gut ist und dass es kooperieren will. Tröste es. Immer.
  • Geh vom Besten aus – erwarte, dass sich dein Kind gut entwickeln wird und seinen Platz und seine Aufgabe auf diesem Planeten findet.
  • Lass dein Kind mitreden – hör seine Meinung an, wäg seine Argumente ab, entscheide klug.
  • Führe – du hast die Erfahrung, erlaub dir, voranzugehen, aber erlaub dir auch, Stück für Stück die Führung abzugeben, wenn Deine Kinder grösser werden.
  • Übernimm Verantwortung für dein Gehirn – wenn du zu häufig „im Affekt“ erziehst, üb dich in Meditation, Stressbewältigung oder Entspannungstechniken, um „bei Verstand“ zu bleiben.
  • Sei nett – Deine Worte werden eines Tages die innere Stimme deines Kindes sein. Wähle sie klug.
  • Lass dir nicht reinreden – was sich falsch anfühlt, ist in der Regel auch falsch.
  • Versuch‘ nicht, perfekt zu sein – niemand verlangt Perfektion, es reicht, wenn wir unser Bestes geben.

Weiterlesen – mehr von Nicola Schmidt und Co.

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3 comments
  1. […] ist es natürlich, wenn auch Mama für sich ihre Lese-Favoriten findet, z.B. Nicola Schmidt’s „Elternkompass“ oder „Hochsensibel Mama sein“ von Kathrin Borghoff. Auch Susanne Mierau ist an Bord… […]

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